Kaffee kochen ist nicht alles

Eine Mühle dreht sich in der historischen Altstadt Xantens. Der Schuldenstand der Bundesrepublik auf der Uhr steigt im Foyer des Bundes der Steuerzahler. Der barocke Landtag in Mainz und und sein modernes Gegenstück in Düsseldorf. Unterschriften sammeln in Duisburg, Unterschriften sammeln in Leverkusen. Und im Büro der Ausblick auf den Rhein zum Beginn des Frühlings. Und ich habe gedacht, dass ich außerhalb von Köln nichts zu sehen kriegen würde.

Aber alles der Reihe nach. Mein Name ist Fabio Kadner, ich bin 23 Jahre alt und wohne in Duisburg. Ich studiere Sozialwissenschaften an der Universität Düsseldorf. Dort ist berufliche Erfahrung in Form von studienbegleitenden Praktika verpflichtend. Parallel zu dieser Pflicht habe ich mir aber vorgenommen, diese Zeit so konstruktiv wie möglich zu gestalten. Im Rahmen dessen bin ich als Praktikant vom Februar bis März 2015 im Landesbüro von Mehr Demokratie in Köln gelandet.

Wie kommt man eigentlich als Student auf die Arbeit von Mehr Demokratie? Vor dem Praktikum hatte ich relativ wenig Erfahrung in den Themenfeldern direkte Demokratie und Transparenz vorzuweisen. Unter der Vielzahl der theoretischen Möglichkeiten, die einem Sozialwissenschaftler auf dem Arbeitsmarkt versprochen werden, hat mich u.a. die Arbeit von Nichtregierungsorganisationen (NGO) interessiert. Praktika in diesem Bereich zu bekommen gestaltet sich allerdings schwer: Es gibt keine zentrale Anlaufstelle für Organisationen dieser Art, Praktika werden häufig nicht ausgeschrieben oder gar nicht erst angeboten. Stattdessen stolpert man mehr oder weniger über die Arbeit von NGO's bei der Auseinandersetzung mit einigen Themen. Ein Seminar über Kommunalpolitik hier, Engagement als Wahlhelfer dort.

Vom Buch zur Praxis

Durch ein Buch über direkte Demokratie bin ich dann auf den Verein gestoßen und habe mich weiter über Mehr Demokratie informiert. Da ich gerade auf der Suche nach einem Praktikumsplatz war, folgte der übliche routinierte Ablauf: erkundigen, Bewerbung schreiben, abschicken und abwarten, ob was zurückkommt.

Die Antwort kam schneller als erwartet und das Vorstellungsgespräch ließ nicht lange auf sich warten. Dort erweckte die Mischung aus der bereits erwähnten Aussicht und der entspannten Büroatmosphäre einen durchweg positiven Ersteindruck. Nachdem ich die Zusage erhalten habe, wurde beim Praktikumsbeginn nicht lange gefackelt: erster Tag in Köln, zweiter Tag in Düsseldorf, später Vorträge in Xanten und Bochum. Zum Freihandelsabkommen TTIP recherchieren, Regierungserklärungen durchlesen, dann die Frage „Wie kann man die Wahlbeteiligung steigern?“.

Direkte Einblicke

Ich habe direkt Einblicke in viele verschiedene Bereiche des Vereins bekommen. Zwischen Beratung bei der Organisation von Bürgerbegehren und der Vorbereitung einer Pressekonferenz wird es nicht langweilig, aber auch nicht so stressig, dass man mit der Verarbeitung der Eindrücke nicht mehr hinterherkommt. Zwar hält man sich bei formelleren Veranstaltungen als stiller Beobachter im Hintergrund, bei der Ausarbeitung und Vorbereitung wirkt man allerdings gestaltend mit. Also nein, Kaffee kochen ist nicht alles.

Zu meinen Aufgaben zählten vor allem die Ausgestaltung von Präsentationen und die Recherche zu verschiedenen Themen von Mehr Demokratie. Eins meiner Hauptprojekte war die Mitarbeit an einer Stellungnahme für eine Anhörung im Landtag. Diese bezog sich auf einige Gesetzentwürfe und Anträge zu kommunalen Partizipationsmöglichkeiten, was querbeet völlig unterschiedliche Aspekte wie Streaming von Ratssitzungen oder die Abwahl von Bürgermeistern miteinschloss. Neben den theoretischen Aspekten stand ihre konkrete Anwendung im Vordergrund: Es galt die Frage zu beantworten, wie Bürger besser in kommunale Politik eingebunden werden können und dadurch mehr Einflussmöglichkeiten erhalten.

Verblüffende Effekte

Das hat zu verblüffenden Effekten hinsichtlich meines Interesses geführt: Z.B. hallte Kumulieren und Panaschieren vorher nur als schwaches Echo aus Seminaren durch meinen Hinterkopf, während ich mich jetzt viel bereitwilliger mit dem Thema auseinandersetze und mögliche Anwendungen diskutiere. Zumeist trockene Theorien wirken im Angesicht ihrer Umsetzung viel lebendiger. Und wenn sich Studenten aus meiner Fachrichtung nach etwas sehnen, dann ist es die praktische Dimension des Stoffs, den sie an der Hochschule vermittelt bekommen.

Ein anderer Dreh- und Angelpunkt meiner Arbeit war die momentan laufende Stop TTIP-Kampagne. Hier standen andere Dinge im Vordergrund: Infostände planen, Material vorbereiten, Unterschriften sammeln. Wenn man zu den Menschen gehört, die im direkten Gespräch andere von ihren Ideen begeistern wollen, hat man hier sein passendes Aufgabenfeld. Engagierte Diskussionen sind in politikwissenschaftlichen Seminaren häufig Mangelware, treffen hier aber auf fruchtbaren Boden. Schließlich bietet das Thema mehr als genug Ansätze für kritische Auseinandersetzungen.

Viel gelernt

Die sechs Wochen bei Mehr Demokratie sind vergangen wie im Flug und ich habe mehr gelernt, als ich es vorher für möglich gehalten hätte. Zunächst sind das die Einblicke in die Arbeitsfelder einer Organisation wie diese und die Fähigkeiten, die man dafür mitbringen und entwickeln muss. Dazu kommt noch die Dichte an praktischer Erfahrung, die in dem kurzen Zeitraum sehr hoch war. Abschließend kann ich sagen, dass ich eine gute Vorstellung davon habe, was Interessierte in diesem Berufsfeld erwartet. Dazu kann ich mir im Studium viel präziser die Inhalte heraussuchen, die weitere praktische Möglichkeiten eröffnen. Nebenbei habe ich auch Ideen für meine anstehende Bachelorarbeit gesammelt.

Über das Studium hinausgehend habe ich nun auch die Motivation entwickelt, mich weiter zu engagieren. Denn neben der eigentlichen politischen Arbeit eines Vereins wie Mehr Demokratie gehört auch noch etwas anderes: Der Wille, sich für bestimmte Ideale in der Gesellschaft einzusetzen. Und ich spreche wohl nicht nur für mich wenn ich sage, dass sich viele junge Menschen mit ihrem zukünftigen Berufsfeld identifizieren wollen.

Nicht nur arbeiten um zu leben

Viele möchten nicht nur arbeiten um leben zu können, sondern auch arbeiten, um etwas Positives zu bewirken. Wenn man sich zu diesen Menschen zählt, sich für direkte Demokratie interessiert und diese unterstützen will, dann ist man bei Mehr Demokratie an der richtigen Adresse. Wo immer man dann auch gerade unterwegs ist.