
Vom 6. bis 9. Juni 2024 haben Millionen Menschen ein neues Europäisches Parlament gewählt. In Deutschland durfte dieses Mal erstmals schon mit 16 Jahren gewählt werden. Daher stellte sich vor der Wahl die Frage, wie insbesondere junge Menschen motiviert werden können, ihre Stimme einzubringen und wählen zu gehen. Mit dieser Frage haben sich auch Marie Lehnert und Jens Mindermann von Mehr Demokratie e.V. als sogenannte Changemaker in den letzten Monaten auseinandergesetzt.
Marie, seit Herbst 2023 seid ihr nun Changemaker, möchtest du kurz erklären, was das überhaupt bedeutet?
Ja gerne. Changemaker sind Personen, die überparteiliche Projekte rund um die Europawahl organisieren, z.B. die Bildungsarbeit machen oder sich dafür einsetzen, die Wahlbeteiligung zu erhöhen.
Alle Changemaker organisieren sich auf einer Plattform, die heißt together.eu und die deutsche Version heißt gemeinsamfuer.eu. Die Plattform ist dazu da, Ideen miteinander zu teilen oder generell Leute dazu zu bewegen, sich für mehr Partizipation von Jugendlichen zu engagieren.
Das übergeordnete Ziel der Changemaker ist also junges Engagement in der EU zu stärken und zu unterstützen.
Jens, warum bist du Changemaker geworden? Was hat dich dazu motiviert?
Ja, zum einen die Aktivierung von jungen Menschen. Bei unserem Projekt haben wir uns dann spezialisiert auf Jugendliche ab 15 Jahren, weil das jetzt eben erstmals bei der Europawahl möglich war, dass die 16- und 17-Jährigen auch zur Wahl gehen und abstimmen konnten. Dementsprechend waren wir in den Klassen 10 und 11 unterwegs, der Großteil war schon über 16, ein paar waren noch unter 16. Und damit haben wir genau die Altersgruppen angesprochen, die bei der Europawahl erstmals wählen durften - zusätzlich zu den früheren Erstwähler:innen, also den über 18-Jährigen. Und ich denke, es ist vor allem wichtig, dass man junge Menschen früh genug mit Politik konfrontiert oder zumindest mit demokratischen Prozessen vertraut macht, um ein Gefühl dafür zu entwickeln. Und das haben wir zum Anlass genommen, um unseren Schulwettbewerb durchzuführen und als Changemaker zu agieren.
Der zweite wichtige Punkt ist allgemein auch die Europawahl. Bei der Europawahl ist die Wahlbeteiligung meistens eher niedrig. Viele Menschen befassen sich auch weniger mit der EU, weil es ein ganz anderes Konstrukt ist, auf einer ganz anderen Ebene. Es gibt große Unterschiede zum Bundestag oder auch zu den Landesparlamenten. Und wir wollten als Changemaker erreichen, dass die Europawahl allgemein mehr an Bedeutung gewinnt und mehr Bühne bekommt, was dann im Umkehrschluss dazu führen sollte, dass insgesamt mehr Menschen wählen gehen.
Zur Auswahl der Schulen haben wir Zahlen der letzten Landtagswahl verglichen und geschaut, wie hoch da die Wahlbeteiligung war. Die war insgesamt überraschend niedrig. Sie lag im Landesschnitt bei 55%, was wirklich ein sehr niedriger Wert ist.
Wir haben dann auf der NRW-Karte geschaut, wo die Wahlkreise mit den geringsten Wahlbeteiligungen sind, und haben uns dann bei der Suche nach Schulen erstmal auf diese Wahlkreise konzentriert. Das ging dann in Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftscampus NRW und den YEPs relativ schnell. Wir haben Schulen in Wahlkreisen gefunden, in denen die Wahlbeteiligung auffällig niedrig war, also unter 50%.
Es waren insbesondere diese drei Punkte, die mich motiviert haben: Die anstehende Europawahl, die Aktivierung junger Menschen und die Überzeugung, dass die Wahlbeteiligung steigen muss und dann natürlich auch am besten bei jungen Menschen, die erstmals wählen dürfen.
Anhand dieser Überlegungen haben wir dann sechs Schulklassen aus fünf verschiedenen Kommunen in Nordrhein-Westfalen für euren Schulwettbewerb ausgewählt. Dabei wurden die Schüler:innen zunächst über die bevorstehende Europawahl und ihre Bedeutung informiert. Anschließend war dann Kreativität gefragt, denn sie sollten auch eigene Ideen entwickeln und umsetzen, um möglichst viele Menschen zum Wählen zu aktivieren.
Marie, welche Aufgaben übernimmst du als Changemaker während des Wettbewerbs?
Jens und ich sind als Changemaker eigentlich in den ganzen Wettbewerb eingebunden – vom Anfang bis zum Ende.
Wir waren ganz am Anfang schon dabei und haben die Idee für das Projekt mitentwickelt. Mit dem Projektleiter Achim Wölfel haben wir den Wettbewerb konzipiert, die Wettbewerbsregeln überlegt und Materialien erstellt. Außerdem haben wir gemeinsam Teammeetings angeleitet, das heißt wir haben die Agenda für das Meeting gesetzt, Aufgaben verteilt und uns gegenseitig Updates gegeben.
Außerdem fungierten wir als Ansprechpartner:innen, bei jedem Anliegen und jeder Frage, die die Schulen hatten, konnten sie sich an uns wenden. Wir haben dafür auch eine E-Mail-Adresse erstellt, über die wir für die Schulen immer erreichbar waren.
Als die Workshops dann losgegangen sind, haben Jens und ich die Hälfte aller Workshops übernommen. Wir sind dann insgesamt in fünf Schulen gefahren und haben da den zweiten Teil unserer Workshopreihe gegeben, wo es dann wirklich um den Wettbewerb ging. Im ersten Teil der Workshopreihe ging es zunächst darum, die Schüler:innen auf den gleichen Wissensstand zu bringen. Das haben die YEPs gemacht. Wir haben dann mit den Schüler:innen Ideen für den Wettbewerb entwickelt. Im Nachhinein waren wir dann immer noch als Ansprechpersonen für die Schüler:innen erreichbar. Wir haben sie begleitet und betreut, wenn sie ihre Ideen entwickelt und umgesetzt haben. So hatten wir mit vielen Klassen zum Beispiel auch eine WhatsApp-Gruppe. Außerdem organisieren wir auch die Abschlussveranstaltung gemeinsam mit dem Landesverband NRW.
Jens, was war denn dein persönliches Highlight bisher in diesem Projekt?
Mein persönliches Highlight war es, die vielen motivierten jungen Menschen in den Schulen zu sehen. Wir haben uns bei der Workshopplanung natürlich Gedanken gemacht: Wie kommt unser Workshop an? Wie tickt die Jugend heutzutage - haben wir auf einer gewissen Ebene überhaupt die Möglichkeit mit den Schüler:innen zu connecten? Und das war eigentlich immer der Fall. Die meisten waren total engagiert, hatten auch Lust und teilweise schon eigene Ideen, da haben wir noch gar nicht richtig angefangen mit der Vorstellung des Schulwettbewerbs. Das war schon echt cool! Wir hatten sogar ein kleines Quiz am Anfang, wo es um Europa ging, also zum Beispiel um Europäische Gerichte, aber auch Fußballstadien und alle möglichen Dinge – also einfach ein bisschen zum Auflockern. Und es war schon cool zu sehen, wie viel Wissen die jungen Leute über Europa haben.
Und das nächste Highlight sind die Ergebnisse, die echt cool geworden sind.Wir hatten auch schon überlegt, was passsiert, wenn komische Sachen kommen oder gar nichts kommt, aber das ist absolut nicht der Fall, da steckt wirklich viel Arbeit dahinter. Das Ergebnis bestätigt bisher unseren Eindruck vom ersten Moment der Begegnung.
Marie, die Europawahl ist nun vorbei, was heißt das für dich als Changemaker – ist die Mission jetzt erfüllt?
Ja und Nein. Wie Jens schon gesagt hat, sind wir gerade dabei, die Ergebnisse zu sichten und ich würde schon sagen, dass die Mission erfüllt ist im Hinblick auf das Engagement der Schüler:innen. Ich finde der Wettbewerb an sich war ein voller Erfolg und das Engagement, das aus dem Wettbewerb entstanden ist, ist echt richtig cool! Man sieht an den Wettbewerbsbeiträgen, wie viel Mühe sich die Klassen gegeben haben und wie aktiv die Schüler:innen geworden sind. Dennoch sehen wir das Projekt nicht als abgeschlossen an und würden den Wettbewerb gerne zur Bundestagswahl wiederholen. Da möchten wir das Projekt noch größer denken und in mehr Städte bringen. Wir haben den Wettbewerb ja auch wissenschaftlichen begleiten lassen und nachdem wir das ausgewertet haben, möchten wir das Projekt gerne weiterverbreiten. Wir sind fest davon überzeugt: Umso mehr Schulen mitmachen, desto größer ist auch der Impact.
Super, dann vielen Dank euch für die spannenden Einblicke in euren Schulwettbewerb und weiterhin viel Erfolg für das Projekt!