Pressemitteilung

Happy Birthday, Bürgerentscheid!

Köln - Schüler in Krefeld tun es, Schwimmbadfreunde in Hagen und Radler in Recklinghausen auch. Sie alle nutzen Bürgerbegehren als Mittel zur Erreichung ihrer politischen Ziele. Seit zwölf Jahren können sich die Menschen in Nordrhein-Westfalen mit Bürgerbegehren und Bürgerentscheid wirksam in die Kommunalpolitik einmischen. Seit der Einführung dieses Demokratieinstruments am 17. Oktober 1994 hat die Initiative Mehr Demokratie zwischen Rhein und Weser 464 Bürgerbegehren und 119 Bürgerentscheide gezählt. Nur in Bayern gab es noch mehr Begehren und Abstimmungen.

 

Laut Mehr Demokratie gehen die Bürger mit den ihnen durch die direkte Demokratie gegebenen Möglichkeiten in den meisten Fällen verantwortungsbewusst und kompetent um. "Die Themenpalette ist vielfältig, die Palette der Initiatoren ebenfalls", sagte Daniel Schily, Landesgeschäftsführer des Vereins, am Montag in Köln. Der anfangs befürchtete Missbrauch durch Extremisten finde so gut wie nicht statt. Auch hätten sich die von manchen Politikern ausgemachten "aktivistischen Minderheiten" nicht mit Hilfe von Bürgerbegehren und Bürgerentscheid durchsetzen können.

 

Besonders häufig sind in Nordrhein-Westfalen Bürgerbegehren für den Erhalt von Schwimmbädern. Zu diesem Thema fand auch das erste erfolgreiche Begehren in NRW statt. In Schwerte hatte eine Bürgerinitiative nach Einführung des kommunalen Bürgerentscheids im Land die Gelegenheit beim Schopf ergriffen und ein Bürgerbegehren für den Erhalt des Elsebades gestartet. Über 10.000 Unterschriften von Schwerter Bürgern überzeugten den Rat, das Bad unter privater Trägerschaft weiter zu führen. Schwimmfreunde gründeten einen Förderverein mit bald 500 Mitgliedern. 1998 wurde das Elsebad nach Umbauarbeiten neu eröffnet. Bis heute läuft der Betrieb des "Bürgerbades" erfolgreich. Insgesamt wendet sich in NRW jedes zehnte Begehren gegen die Schließung oder den Umbau von Bädern.

 

Das jüngste erfolgreiche Bürgerbegehren fand in Hilden statt. Mehr als 13.000 Hildener hatten sich im Sommer dieses Jahres mit ihrer Unterschrift gegen den vom Stadtrat beschlossenen Umbau des Marktplatzes ausgesprochen. Im September lenkte der Rat ein und beschloss, eine Neuplanung des Umbaus unter stärkerer Beteiligung der Bürger vorzunehmen. Jedes fünfte eingereichte Bürgerbegehren erreicht auf diese Weise einen neuen Ratsbeschluss. In 22 Fällen kam es zu einem Kompromiss zwischen Rat und Initiatoren des Bürgerbegehrens.

 

Nicht jedem Bürgerbegehren ist aber Erfolg beschieden. Zwei von fünf Begehren scheitern an den nach Ansicht von Mehr Demokratie zu hohen Anforderungen. Sie werden deshalb von den Räten für unzulässig erklärt. Im als in Sachen direkter Demokratie als vorbildlich geltenden Bayern liegt die Unzulässigkeitsquote hingegen nur bei rund 15 Prozent.

 

Auch Bürgerbegehren, die es bis zum Bürgerentscheid schaffen, können sich ihres Erfolges noch nicht sicher sein. Bei einer solchen Abstimmung aller Gemeindebürger ist die Mehrheit der abgegebenen Stimmen nämlich nicht ausreichend. Die Gemeindeordnung schreibt vor, dass diese Mehrheit gleichzeitig auch mindestens 20 Prozent aller Stimmberechtigten ausmachen muss. Wohnen in einer Stadt so etwa 100.000 Bürger, müssen mindestens 20.000 Wähler das Bürgerbegehren mit ihrer Stimme unterstützen. Andernfalls ist der Bürgerentscheid ungültig. Dieses Schicksal erlitten bisher 60 von 119 zur Abstimmung gekommenen Bürgerbegehren. Nur 14 Initiativen wurden von den Bürgern mehrheitlich abgelehnt.

 

Mit Hilfe eines Bürgerentscheids, durch neuen Ratsbeschluss oder per Kompromiss waren in Nordrhein-Westfalen 151 von 397 eingereichten und abgeschlossenen Bürgerbegehren erfolgreich. Eine Erfolgsquote von rund 38 Prozent.

 

Im Namen des Geburtstagskindes Bürgentscheid äußerte Mehr Demokratie einen Geburtstagswunsch an den Landtag. "Es wird Zeit, die Kinderkrankheiten der direkten Demokratie noch vor Erreichen der Pubertät auszumerzen", forderte Geschäftsführer Schily. Sein Verein hat dabei neben der Senkung der Abstimmungshürde die Streichung von Themenausschlüssen für Bürgerbegehren im Auge. Nicht möglich sind in NRW beispielsweise Bürgerbegehren zu wichtigen Stadtentwicklungsfragen. "Die Bürger dürfen nicht selbst über den Bau neuer Einkaufszentren oder die Bebauung von Grünflächen entscheiden", erläuterte Schily. Auch Bürgerbegehren zu Windkraft- oder Biogasanlagen sind nicht möglich. In Bayern fällt nach Angaben des Vereins jedes dritte Bürgerbegehren in diesen in NRW ausgeschlossenen Themenbereich.

 

"Die anstehende Reform der Gemeindeordnung wäre eine gute Gelegenheit, im Sinne der Bürger des Landes ein paar Verbesserungen bei Bürgerbegehren und Bürgerentscheid vorzunehmen", so Schily.

 

<link>Hintergrund: 12 Jahre Bürgerentscheid

 

Pressesprecher


Jens Mindermann
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