Bürgerbegehrensbilanz 2021: Trotz Corona rege Nutzung direkter Demokratie
Radwege und Schwimmbäder Topthemen kommunaler Bürgerbegehren +++ Hövelhof knackt Rekord bei Bürgerentscheid mit 75 Prozent Beteiligung
Bürgerbegehren für einen Ausbau des Radverkehrs sind seit 2019 direktdemokratische Dauerbrenner in NRW. Im letzten Jahr wurden solche sogenannten Radentscheide in Detmold, Bochum, Kaarst und Mönchengladbach auf den Weg gebracht oder weitergeführt. In Kaarst wird es in diesem Jahr den ersten Bürgerentscheid über einen Radentscheid geben. Am 6. März können die Bürger abstimmen. In Bocholt und Haan wurden Bürgerbegehren gegen eine Fahrradschnellstraße sowie gegen Radschutzstreifen gestartet. Über letzteres findet am 13. März ein Bürgerentscheid statt. Einen weiteren Schwerpunkt bilden Bürgerbegehren zu Schwimmbädern. Insgesamt sechs Verfahren wurden im letzten Jahr gestartet. Auffällig ist auch die rege Nutzung von Bürgerbegehren, um Schulen zu erhalten. In Mettmann, Geseke, Mönchengladbach und Tönisvorst wurden entsprechende Bürgerbegehren initiiert.
Insgesamt gab es im letzten Jahr 43 direktdemokratische Verfahren, von denen 15 abgeschlossen wurden. Davon endeten vier Verfahren in Bürgerentscheiden: Im Mai stimmten die Bürger in Bad Münstereifel über den Bau von Windrädern ab. Parallel zur Bundestagswahl fanden gleich zwei Bürgerentscheide statt, in Hövelhof wurde über den Neubau eines Hallenbades und in Halle (Westf.) über den Umbau der Alleestraße entschieden. Der Hövelhofer Bürgerentscheid hat mit einer Abstimmungsbeteiligung von 75 Prozent die bisher höchste Beteiligung bei einem Bürgerentscheid in NRW erreicht. Zuletzt fand in Werne ein Bürgerentscheid über den Bau eines Industrie- und Gewerbegebiets statt. In zwei Fällen wurden Kompromisse zwischen Initiative und Stadtrat geschlossen: beim Kölner Klima-Bürgerbegehren und bei einem Bürgerbegehren zum Erhalt von Stadtteil-Bibliotheken in Mülheim an der Ruhr. Insgesamt acht Verfahren wurden aus unterschiedlichen Gründen für unzulässig erklärt, was einem Anteil von 18,6 Prozent entspricht.
Auch im Jahr 2021 wurde ein Großteil der Bürgerbegehrensinitiativen von Mehr Demokratie beraten. „Der Bürgerbegehrensparagraf ist leider alles andere als bürgerfreundlich formuliert. Selbst juristisch geschulte Menschen stoßen hier schnell an ihre Grenzen. Damit die Anzahl der unzulässigen Bürgerbegehren sinkt, schlagen wir eine zentrale Koordinierungsstelle für Bürgerbeteiligung vor, die an das Land NRW angegliedert ist und Anlaufstelle für Bürgerinitiativen und Kommunen ist“, so Wölfel. Eine solche Koordinierungsstelle empfiehlt auch die Enquete-Kommission „Subsidiarität und Partizipation“, die im Mai letzten Jahres ihre Ergebnisse vorgestellt hat. Vorbild dafür könnte Baden-Württemberg sein. Dort gibt es seit 2011 einen Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung, die die Aufgabe hat, die Bürgerbeteiligung im Land auszubauen und die Zivilgesellschaft zu stärken.
Seit der Einführung von Bürgerbegehren in NRW im Jahr 1994 gab es bis Ende 2021 insgesamt 927 Verfahren. Diese unterteilen sich in 896 Bürgerbegehren und 31 Ratsbürgerentscheide. Insgesamt fanden 278 Bürgerentscheide statt. 300 der 926 Bürgerbegehren wurden für unzulässig erklärt, was einem Anteil von rund 32 Prozent entspricht.
Stichtag der Analyse war der 31. Dezember 2021. Nicht berücksichtigt wurden Bürgerbegehren, die nur angekündigt oder öffentlich diskutiert wurden.