Jahresbilanz Bürgerbegehren NRW 2023: Fast Hälfte der Bürgerentscheide scheitert am Zustimmungsquorum

Mit insgesamt 11 Verfahren bleibt die Anzahl an Bürgerentscheiden im Jahr 2023 konstant hoch. Fünf Entscheide scheiterten „unecht“ am Zustimmungsquorum, das heißt, sie erreichten eine Mehrheit, es beteiligten sich aber nicht ausreichend Menschen an der Abstimmung. Die Zahl der neu eingeleiteten Bürgerbegehren ist mit 33 Verfahren leicht angestiegen im Vergleich zum Vorjahr. Das geht aus der heute (24.1.24) von Mehr Demokratie in Köln veröffentlichten Jahresbilanz Bürgerbegehren 2023 hervor. „Viel zu viele Bürgerentscheide scheitern am Zustimmungsquorum. Statt zur Beteiligung lädt diese Hürde dazu ein, einer Abstimmung fernzubleiben und gehört deshalb unbedingt abgeschafft.“, so Achim Wölfel, NRW-Landesgeschäftsführer von Mehr Demokratie.

Im Jahr 2023 wurden insgesamt 33 Bürgerbegehren neu eingeleitet und 28 Verfahren abgeschlossen. Von den 28 beendeten Begehren waren sechs unzulässig, weil beispielsweise das Unterschriftenquorum nicht erfüllt oder das Begehren nicht fristgerecht eingereicht wurde. Insgesamt vier Bürgerbegehren wurden vom Stadt- oder Gemeinderat angenommen, während fünf Begehren unecht scheiterten und drei abgelehnt wurden. Fünf Verfahren wurden zurückgezogen und in drei Fällen konnte ein Kompromiss erzielt werden. Von den aktuell 24 offenen Verfahren stammen 18 aus dem vergangenen Jahr und sechs aus 2022 oder früher.

Es zeigte sich eine große thematische Bandbreite bei den direktdemokratischen Verfahren: Acht Bürgerbegehren wurden zu Bauangelegenheiten und sieben zur Allgemeinversorgung initiiert. In sechs Verfahren ging es um Geflüchtetenunterkünfte. Weiterhin gab es Bürgerbegehren aus den Bereichen Bildung, Verkehr und Klima.

Die Bürgerentscheide im Überblick

Im Jahr 2022 fanden zehn Bürgerentscheide statt, während sich die Anzahl im Jahr 2023 auf elf erhöhte. Fünf Bürgerentscheide scheiterten unecht, also am Zustimmungsquorum, wie zum Beispiel in Bad Salzuflen. Trotz einer Zustimmung von 77 Prozent der abgegebenen Stimmen, wurde das vorgeschriebene Quorum von 15 Prozent nicht erreicht. Generell scheitern in NRW im bundesweiten Vergleich die meisten Bürgerbegehren an dem Zustimmungsquorum. Mehr Demokratie fordert deshalb eine Abschaffung dieser Hürde. „Es ist verdrehte Demokratie, wenn diejenigen, die der Abstimmung fernbleiben am Ende das Ergebnis bestimmen. Wir fordern deshalb schon lange: Weg mit dem Zustimmungsquorum!“, so Wölfel.

Weiterhin setzt sich Mehr Demokratie für die automatische Zusendung der Abstimmungsunterlagen ein. Eine Auswertung des Vereins zeigt, dass dadurch die Abstimmungsbeteiligung erhöht wird. Bürgerentscheide mit automatischer Briefwahl verzeichnen eine durchschnittliche Abstimmungsbeteiligung von 42,3 Prozent, ohne automatische Zusendung liegt sie bei 19,6 Prozent. In Nordrhein-Westfalen haben bereits zehn Kommunen, unter anderem Nümbrecht, Wuppertal oder der Kreis Düren, die automatische Zusendung der Abstimmungsunterlagen eingeführt.

Hintergrund

Seit der Einführung von Bürgerbegehren in NRW im Jahr 1994 wurden bis Ende 2023 insgesamt 973 Verfahren verzeichnet. Darunter fallen 941 Bürgerbegehren, die zu 294 Bürgerentscheiden führten, und 32 Ratsbürgerentscheide. 40,5 Prozent der Entscheide, also insgesamt 119, scheiterten unecht. Das heißt, sie erreichen eine mehrheitliche Zustimmung, es beteiligten sich jedoch zu wenige Abstimmende. 109 Entscheide (37,1 Prozent) wurden im Sinne des Begehrens entschieden, 64 Bürgerentscheiden (21,8 Prozent) endeten nicht im Sinne des Begehrens.

Stichtag der Analyse war der 31. Dezember 2023. Die „Datenbank Bürgerbegehren“ diente als Grundlage. In dem Kooperationsprojekt zwischen der Forschungsstelle Bürgerbeteiligung an der Bergischen Universität Wuppertal und der Forschungsstelle Bürgerbeteiligung und Direkte Demokratie an der Philipps-Universität Marburg werden die Daten erhoben. Mehr Demokratie e.V. unterstütz das Projekt.