Freundliche Übernahme von Bürgerbegehren

Warum die Bürger entscheiden lassen, wenn die Argumente von Bürgerbegehren auch die gewählten Räte überzeugen? So häufig wie schon lange nicht mehr wurden im ersten Halbjahr 2015 direkt-demokratische Initiativen vor Ort von Stadt- und Gemeinderäten übernommen. Gewählte Kommunalpolitiker haben dabei zuvor selber gefasste gegenteilige Beschlüsse wieder aufgehoben.

 

Auf diesem Weg erfolgreich waren Bürgerbegehren gegen die Umgestaltung einer Allee im Kurpark von Bad Salzuflen, gegen neue Beigeordnetenstellen in Beckum, gegen höhere Aufwandsentschädigungen für Ratsmitglieder in Dinslaken, gegen den Umzug einer Grundschule in Ennepetal, für den Erhalt einer Realschule in Höxter und für den Erhalt einer Brücke in Langerwehe. Im gesamten Vorjahr 2014 konnte nur ein Bürgerbegehren auf diese Weise einen Erfolg verbuchen. In Wuppertal musste eine Bürgerinitiative erst gar keine Unterschriften für ein Bürgerbegehren sammeln, weil schon dessen Ankündigung, die dortigen Stadtwerke dazu brachte, ihre Pläne für eine neue Firmenzentrale auf dem Carnaper Platz aufzugeben.

Bürgerbegehren in NRW

Jahr nicht einge- reicht/ zurück- gezogen / versandet unzu- lässig vom Rat über- nommen Kom- pro- miss läuft noch zum Bürger- entscheid führten Gesamt
1994 - 2013 102 242 106 17   184 651
1. Halbj. 2014 3 4 1 1   5 14
2. Halbj. 2014 1 2       2 5
1. Halbj. 2015 4 3 5   15   27
Gesamt 110 251 112 18 15 191 697
Stand: 30.06.2015              

Im Vergleich zum ersten Halbjahr 2014 ist die Zahl der Bürgerentscheide stark zurückgegangen. Fanden zwischen Januar und Juni 2014 noch fünf Bürgerentscheide statt, war es im ersten Halbjahr nur einer. In Oberhausen stimmten die Bürger gegen die Verlängerung der Straßenbahnlinie 105. Der Rückgang bei der Zahl der Abstimmungen ist Spätfolge des Kommunalwahljahres, in dem es weniger Bürgerbegehren gab als sonst. Weil die Räte 2014 monatelang keine Entscheidungen mehr getroffen hatten, gab es auch weniger Bürgerbegehren, die sich gegen diese Entscheidungen hätten richten können.

 

Neben dem Dauerbrenner Schulpolitik ging es bei kommunalen Bürgerbegehren in NRW auch häufig um die Folgen leerer Kassen. So wandten sich Initiativen gegen die Schließung von Lehrschwimmbecken in Jülich und gegen das Aus für die Lemmerzbäder in Königswinter. In Nachrodt-Wiblingwerde fordert ein Bürgerbegehren den Erhalt des einzigen Jugendzentrums. In Rhede soll die Musikschule erhalten werden. All diese Einrichtungen sollen wegen der Finanznot der betroffenen Kommunen geschlossen werden.

(Rats-)Bürgerentscheide in NRW

Jahr Abstimmungsvorlage angenommen Abstimmungs- vorlage abgelehnt (Rats-)Bürger- entscheid ungültig Gesamt
1994 - 2013 69 36 89 194
1. Halbj. 2014 1 1 3 5
2. Halbj. 2014     2 2
1. Halbj. 2015   1   1
Gesamt 70 38 94 202
Stand: 30.06.2015        

Wegen der Vereinfachung der Verfahren für Bürgerbegehren und Bürgerentscheid Ende 2011 gibt es weniger unnötig scheiternde Bürgerbegehren. Dass aber noch lange nicht alles gut ist, zeigt das Beispiel des Bürgerbegehrens „Kulturgut Essen“.

 

Frustrierende Erfahrungen

Hatte die Stadt dem Bürgerbegehren erst eine falsche Kostenschätzung zukommen lassen, mussten dessen Initiatoren später mit der Stadt über die Gültigkeit von Unterschriften streiten. Trotz dann doch ausreichender Unterschriftenzahl wurde das Bürgerbegehren vom Rat für unzulässig erklärt. Bei der Verhandlung über die Klage der Bürgerbegehrensinitiatoren gegen diesen Beschluss fand die zuständige Richterin dann noch neue Gründe für die Unzulässigkeit, die der Rat gar nicht gesehen hatte. Gründe, die inhaltlich aus Sicht von Mehr Demokratie aber auch nicht zu halten sind. Die Initiatoren des Bürgerbegehrens sind jedenfalls nachhaltig frustriert.

 

Beim Essener Bürgerbegehren und auch bei Begehren in anderen Orten hätte eine Vorprüfung geholfen. Derzeit werden Bürgerbegehren erst nach Einreichung der notwendigen Unterschriftenzahl auf ihre Zulässigkeit geprüft. Sinnvoller wäre aber eine Prüfung vor Beginn der Unterschriftensammlung. Hier ist der Landtag gefragt, die Regeln zu verbessern und Bürgerbegehren mehr Rechtssicherheit zu geben.

 

Übersicht:Bürgerbegehren und Bürgerentscheide 2015

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