Neue Spielregeln für Bürgerbegehren
Bürgerbegehren sind in NRW seit kurzem mit weniger Hürden versehen. Der Landtag hat am 8. Dezember 2011 mit den Stimmen von SPD, Grünen und Linken eine Gesetzesänderung verabschiedet, die die Durchführung direkt-demokratischer Initiativen in Nordrhein-Westfalen vereinfacht.
Wichtiger Bestandteil der Reform ist die Kürzung des Katalogs der Themen, über die kein Bürgerentscheid stattfinden darf. Neu ist, dass Bürgerbegehren etwa zum Bau von Einkaufszentren oder zur Ausweisung neuer Gewerbegebiete zulässig sind. Entscheidungen darüber, ob Bauleitplanverfahren hierzu eingeleitet werden, sind einem Bürgerbegehren zugänglich.
Der durch die Gemeindeordnung von Bürgerbegehren bisher geforderte Kostendeckungsvorschlag wurde nach Berliner Vorbild durch eine Kostenschätzung ersetzt. Diese wird von den Kommunen erstellt und kann damit nicht mehr zur Unzulässigkeit von Bürgerbegehren führen. Ein Kostendeckungsvorschlag war bisher immer dann vorgeschrieben, wenn ein Bürgerbegehren im Erfolgsfall Mehrkosten oder Mindereinnahmen für die Gemeinde zur Folge hätte. Dies war z.B. dann der Fall, wenn eine zur Schließung vorgesehene Schule erhalten werden oder ein städtisches Unternehmen entgegen dem Willen der Ratsmehrheit nicht verkauft werden soll. Dann mussten die Initiatoren des Bürgerbegehrens auf ihrer Unterschriftenliste erklären, wo hierfür Mittel im städtischen Haushalt umgeschichtet oder welche Abgaben oder Gebühren zur Deckung der Kosten erhöht werden sollten. Weil es aber in der Praxis selten Einigkeit über die tatsächlichen Folgekosten von Bürgerbegehren gab, war der Kostendeckungsvorschlag häufigster Grund für deren Unzulässigkeit.
Senkung der Abstimmungshürde
Bei Bürgerentscheiden wurde das bisher bei 20 Prozent der Stimmberechtigten liegende Zustimmungsquorum angelehnt an das bayerische Modell nach Gemeindegröße gestaffelt. Der Landtag hat folgende Staffelung beschlossen:
Anders die Regelung für die Kreise. Hier ist die Abstimmungshürde in Kreisen mit bis zu 200.000 Einwohnern bei 20 Prozent geblieben. In Kreisen mit bis zu 500.000 Einwohnern reichen 15 Prozent aus, in größeren zehn Prozent. Hier weicht das neue Gesetz von der bayerischen Regelung ab. Im Freistaat gilt in Kreisen bis 100.000 Einwohnern ein Quorum von 15 Prozent, in größeren Kreisen eine Hürde von 10 Prozent.
Die Staffelung des Quorums nach Gemeindegröße ist eine Konsequenz aus der Tatsache, dass die bisher vorgeschriebene Mindestzustimmung besonders in größeren Städten häufig nicht erreicht wurde. Grund hierfür ist ein meist niedrigerer Anteil der von einer politischen Entscheidung direkt betroffenen Bürger. Wer vom Ausgang eines Bürgerentscheids nicht direkt berührt wird, nimmt mit einer geringeren Wahrscheinlichkeit an einer Abstimmung teil. In Nordrhein-Westfalen wurde bisher jedes zweite zur Abstimmung kommende Bürgerbegehren durch die Abstimmungshürde zu Fall gebracht.
Neu eingeführt wurde die Stichfrage bei Bürgerentscheiden mit mehr als einer Abstimmungsvorlage zu einem Thema. Wenn mehrere Bürgerbegehren oder ein Bürger- und ein Ratsbegehren zu einem Thema zur Abstimmung stehen, kann es sein, dass mehr als eine Vorlage eine Mehrheit erhält. Für diesen Fall können die Wähler ankreuzen, welche Vorlage gelten soll. Dies ermöglicht es, den Wählern in einem Bürgerentscheid alternative Vorschläge zu machen. Das ist sinnvoll, wenn es etwa zu entscheiden gilt, an welchem von verschiedenen möglichen Standorten ein Rathaus neu gebaut werden soll.