Direkte Demokratie mehr als man denkt

„Volksbegehren, Volksentscheid, direkte Demokratie? Ja habe ich alles schon mal gehört, das ist doch mit Unterschriften sammeln.“

So ziemlich jeder hat schon einmal diese Schlagworte gehört oder gelesen. Wenn dann aber doch einmal genauer nachgefragt wird, wie der Ablauf zu einem Volksentscheid ist, dann schaut man meist in fragende Gesichter. In meinem Praktikum bei Mehr Demokratie bot sich mir persönlich ein toller und spannender Einblick hinter die Kulissen der direkten Demokratie in Deutschland.

Mein Name ist Henrik Boehle, ich bin 21 Jahre alt und habe im vergangen Jahr mein Abitur gemacht. In der Schule lagen meine Hauptinteressen im Fach Politik, so dass ich mich dazu entschlossen habe, mit einem Jahr Auszeit Politikwissenschaften zu studieren. In der Zeit bis zum Studium wollte ich erst einmal etwas Praktisches machen und Erfahrungen sammeln. Nach einem halbjährigen Freiwilligen Sozialen Jahr hatte ich die Zusage von Mehr Demokratie für ein zweieinhalb monatiges Praktikum bekommen.

Mehr direkte Demokratie?

Ich hatte mich vorab über die Tätigkeiten des Vereins informiert, der sich für direkte Demokratie in Deutschland einsetzt. Die direkte Demokratie war mir bislang nur am Rande begegnet: ein Bürgerbegehren in meiner Heimatstadt wegen des Baus eines Schwimmbads. Ansonsten kannte ich nur die direkte Bürgerbeteiligung aus der Schweiz, als eines der wenigen Länder, in der die direkte Demokratie zum probaten Mittel der Politik gehört. Dementsprechend war ich sehr gespannt, wie sich das Praktikum gestaltet.

Was erwartet einen Praktikanten?

Vorab kann ich sagen, es erwartet einen viel mehr als man sich gedacht hatte. Die Arbeit mit direkter Demokratie findet nicht nur im Büro statt, sondern eben auch „live und in Farbe“ am Ort des Geschehens. Aber der Reihe nach.

Gleich am ersten Praktikumstag im März ging es flott los. Kurz vor der Landtagswahl in Rheinland-Pfalz sollte ich bei einem sogenannten „Kandidatencheck“ mitwirken. Jeder zur Wahl gestellte Abgeordnete sollte kurze Statements zu bestimmten Fragen abgeben. Es zeigte sich, das man wirklich einen langen Atem braucht, bis man alle Politiker erreicht hat und einen noch längeren, bis man auch wirklich etwas von ihnen zurückbekommt.

Wer jetzt allerdings glaubt, dass man sich nur mit einem aktuellen Thema, das gerade auf der Agenda steht, beschäftigen müsste, der irrt sich. Der Weg, die direkte Demokratie voran zu treiben, ist kein Spaziergang der mal so eben gemeistert werden kann.

Viele Aufgabenbereiche

Die Spannweite der Aufgabenbereiche von Mehr Demokratie ist groß: Über Bündnisbildungen, bis hin zur Ausarbeitung von Petitionen an den Landtag und Treffen mit anderen Nichtregierungsorganisationen in verschiedenen Städten. Und nicht zu vergessen: Immer zur Verfügung stehen für Anfragen und Informationen zu Bürgerbegehren oder Volksentscheiden. Bei all diesen Aufgaben konnte ich tolle Einblicke gewinnen, wie viel Arbeit und Mühe darin steckt. Allerdings gehört nicht nur Zuschauen und Zuhören zu den Aufgaben eines Praktikanten, sondern auch, etwas selbst zu gestalten.

Zu meinen Aufgaben gehörten verschiedene Recherchen in Themenfeldern von Mehr Demokratie, beispielsweise in Landesverfassungen der Bundesländer. Aber auch der Entwurf einer Demoroute oder ein Demo-Aufruf waren dabei. Dazu habe ich ein mehrseitiges Informationsblatt zum bevorstehenden britischen Referendum am 23. Juni verfasst. In diesem recherchierte ich die Hintergründe und mögliche Folgen eines Austritts aus der EU, die der „Brexit“ mit sich bringen könnte.

Bei Aktionen dabei

Neben der Arbeit im Büro war ich auch in verschiedenen Städten NRWs, um vor Ort Informationen einzuholen. Es zeigt sich also, es ist kein reines Schreibtischpraktikum und Langeweile kommt erst recht nicht auf.

Als zentraler Punkt in meinem Praktikum stand auf jeden Fall die Demo gegen TTIP und CETA am 23. April in Hannover, zu der 90.000 Menschen gekommen waren. Hier konnte ich durch eigenes Mitwirken erleben, wie viel Arbeit hinter so einer Kampagne steckt. Aber auch auf der Demo selbst ist man nicht zum Ausruhen da. Hilfe am Infostand von Mehr Demokratie und Gespräche über unsere Arbeit mit Demo-Teilnehmern, auch das gehört zu den Aufgaben eines Praktikanten. Eine tolle Abwechslung zu den verschiedenen Tätigkeiten im Büro.

Es hat Spaß gemacht

Zum Abschluss des Praktikums kann ich sagen, dass mir es sehr viel Spaß gemacht hat viele verschiedene Eindrücke zu gewinnen, selbst etwas zu gestalten und tolle Erfahrungen gemacht zu haben. Hinter dem Begriff „direkte Demokratie“ verbergen sich viele verschiedene Bereiche: Unterschriftenhürden, Fristen, Landesverfassungen, Austausch mit Politikern und Bündnisse. Mit all diesen Faktoren und noch vielen mehr setzt sich der Verein tagtäglich auseinander. Dafür braucht man vor allem eins: Durchhaltevermögen.

Ohne Ausdauer und Beharrlichkeit ist es schwierig, die direkte Demokratie zu fördern. Deshalb ist direkte Demokratie eben doch mehr als man denkt.