Pressemitteilung

Mehr Demokratie veröffentlich Volksbegehrensbericht 2024

Mehr Demokratie veröffentlich Volksbegehrensbericht 2024

 

+++ Neuer Volksbegehrensbericht: Über 400 direktdemokratische Verfahren in den Bundesländern. Faustformel: Jedes vierte Verfahren ist erfolgreich, auch wenn nur jedes sechzehnte zu einem Volksentscheid führt.

 

+++ Mehr Demokratie sieht dringenden Reformbedarf bei Volksbegehren in NRW

 

In den Jahren 1946 bis Ende 2023 fanden in den deutschen Bundesländern insgesamt 456 direktdemokratische Verfahren auf Landesebene statt. 40 waren obligatorische Referenden, 416 wurden aus der Bevölkerung per Unterschriftensammlung angestoßen. Von diesen 416 Verfahren wurden 26 mit einem Volksentscheid beendet, das heißt: Die Bürgerinnen und Bürger entschieden an der Abstimmungsurne über eine politische Sachfrage. Das entspricht einem Anteil von 6,25 Prozent an diesen 416 Verfahren, einem Sechzehntel.

 

Das geht aus dem aktuellen Volksbegehrensbericht hervor, den der Fachverband Mehr Demokratie heute vorstellt. Auch wenn es relativ selten zu einem Volksentscheid kommt: Die direkte Demokratie wirkt in Deutschlands Bundesländern. 26,8 Prozent aller von unten angestoßenen direktdemokratischen Verfahren auf Landesebene führen zu einer Lösung im Sinne der Initiatorinnen und Initiatoren. Sie setzen also ihre politischen Forderungen zumindest teilweise durch.

Aktuelle Beispiele: Im Mai 2024 öffnete die Volksinitiative „Rettet den Bürgerentscheid!“ in Schleswig-Holstein die Tür für Verhandlungen mit der Landesregierung. Sie mündeten in einem Kompromiss, der von beiden Seiten als Erfolg gesehen wurde. Aber auch die Volksbegehren „Artenvielfalt & Naturschönheit in Bayern“ (2019) und „Artenvielfalt“ in Niedersachsen (2020) waren erfolgreich, obwohl es nicht zum Volksentscheid kam. 

Insgesamt 70-mal erzielten Initiativen einen vollen, 38-mal einen Teilerfolg ohne Volksentscheid. Demgegenüber stehen 17 teils oder gänzlich erfolgreiche Volksentscheide. Das ist aus den Daten des Berichts ersichtlich. 

„Direkte Demokratie lohnt sich. Sie ist oft ein Türöffner für gute Verhandlungen und tragfähige Kompromisse“, sagt Ralf-Uwe Beck, Bundesvorstandssprecher von Mehr Demokratie. „Die Politik sieht, dass ein relevanter Teil der Bevölkerung ein Thema per Unterschrift unterstützt. Sie erkennt Handlungsbedarf.“ Aus Bürgersicht sei direkte Demokratie ein Frustschutzmittel:„‚Die da oben‘ können eben nicht einfach machen, was sie wollen, wenn ihnen die Menschen auf die Finger schauen“, so Beck.

Der Bericht blickt insbesondere auf die Jahre 2022 und 2023. In diesen beiden Jahren wurden zehn bzw. 13 direktdemokratische Verfahren von unten angestoßen. Damit lagen diese Jahre trotz Pandemie statistisch im Trend: Im 15-Jahres-Durchschnitt wurden 12,6 neue Verfahren in den Bundesländern angestoßen. 

Seit einer Reformwelle in den 1990er-Jahren sind Volksbegehren und Volksentscheide in allen Bundesländern möglich. Doch die Regeln sind höchst unterschiedlich ausgestaltet. Beck: „Manches Bundesland schreckt mit hohen Hürden ab, es werden unrealistisch viele Unterschriften verlangt.“ Während in Schleswig-Holstein nur 3,6 Prozent aller Bürgerinnen und Bürger ein Volksbegehren unterstützen müssen, damit es zu einem Volksentscheid (oder Kompromiss) kommt, sind es in Sachsen 13,2 Prozent. Einige Länder entschieden sich für 10 Prozent. 

Am häufigsten stößt die Bevölkerung in Hamburg, Brandenburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern direktdemokratische Verfahren an – allesamt Länder mit einem niedrigen Unterschriften-Quorum und daher einer realistischen Erfolgsaussicht.

Ralf-Uwe Beck drängt daher auf Reformen: „Es bleibt insgesamt eine Aufgabe der Politik, die Verfahren bürgerfreundlicher zu gestalten. Der Bericht belegt: Dort, wo die Regeln gut sind, nutzen die Menschen besonders oft direktdemokratische Verfahren. Und das stärkt unsere Demokratie.“

Jeweils rund ein Viertel aller bisherigen Volksbegehren in den deutschen Bundesländern drehte sich um Bildungsthemen oder den Themenbereich „Demokratie und Innenpolitik“. In den letzten Jahren holten die Themen Soziales und Umweltschutz auf. Einen Volksentscheid auf Bundesebene gibt es bislang noch nicht.

Volksbegehren in NRW

Die Unterschriftenhürde für Volksbegehren in Nordrhein-Westfalen liegt bei acht Prozent der Stimmberechtigten und befindet sich damit im deutschlandweiten Mittelfeld. Dennoch wird diese Hürde von Initiativen in dem flächenmäßig sehr großen Land häufig als unüberwindbar bewertet. Weiterhin gilt in NRW bei Volksbegehren ein sogenanntes „Finanztabu“. Volksentscheide sind zu Fragen, die den Landeshaushalt betreffen, wie Steuern, Kreditaufnahme oder Haushalt, generell ausgeschlossen. Da nahezu alle politischen Entscheidungen finanzielle Auswirkungen haben, stellt das Finanztabu eine zentrale Hürde dar. Aufgrund der hohen Hürden bei Volksbegehren in NRW lassen sich Ausweichbewegungen zum Instrument der Volksinitiative beobachten. Diese ist unverbindlicher, aber dafür auch mit niedrigeren Hürden versehen. In keinem anderen Bundesland werden mehr Volksinitiativen gestartet als in NRW. 

Seit 1946 wurden in Deutschland über 104 Volksbegehren in allen Bundesländern initiiert. In Nordrhein-Westfalen sind seitdem lediglich drei Volksbegehren gestartet, was einem Anteil von nur 2,8 Prozent entspricht. Die Erfolgsquote von Volksentscheiden in NRW liegt bei nur 25 Prozent und damit knapp unter dem Bundesdurchschnitt. Im Vergleich dazu verzeichnen andere Bundesländer wie Schleswig-Holstein (40,5 %), Hamburg (38,5 %) und Niedersachsen (33,3 %) deutlich höhere Erfolgsquoten. Achim Wölfel, NRW-Landesgeschäftsführer von Mehr Demokratie, ergänzt: „Volksbegehren in NRW müssen dringend reformiert werden. Die hohe Unterschriftenhürde und das Finanztabu machen das Instrument quasi unmöglich. Nur auf dem Papier bringt es der Bürgerin oder dem Bürger aber nichts, es muss auch genutzt werden können.“ 

Auch die Enquetekommission „Subsidiarität und Partizipation empfahl in ihrem 2021 veröffentlichen Abschlussbericht eine Überprüfung der Hürden für Volksbegehren.

+++ Hintergrund

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Jens Mindermann, Pressesprecher Mehr Demokratie NRW
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Web: https://nrw.mehr-demokratie.de 

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