Initiative kritisiert Äußerungen von Bundestagsvizepräsident Thierse
Die Initiative "Mehr Demokratie" kritisiert die Äußerungen des Bundestagsvizepräsidenten Wolfgang Thierse (SPD) zur Beteiligung an der Kommunalwahl in Sachsen-Anhalt am vergangenen Sonntag. "Statt die Wähler zu schelten, sollte die Politik dafür sorgen, dass die Beteiligung an politischen Entscheidungen für die Bürger wieder attraktiver wird", sagte Daniel Schily, Landesgeschäftsführer von Mehr Demokratie, am Dienstag in Köln.
Nach der historisch niedrigen Wahlbeteiligung bei der Kommunalwahl in Sachsen-Anhalt hatte Thierse vor dem Entstehen einer "Zuschauer-Demokratie" in Deutschland gewarnt. In einem Interview mit der "Passauer Neuen Presse" hatte er geäußert, dass die Menschen meinten, nicht mehr mittun zu müssen. Sie schalteten den Fernseher ein und erlebten Politik als Zuschauer. Die niedrige Wahlbeteiligung sei auch auf die "Faulheit" der Bürger zurück zu führen. Bei der Kommunalwahl in Sachsen-Anhalt hatte die Wahlbeteiligung nur 36,5 Prozent betragen. Das war der niedrigste Wert bei einer Kommunalwahl in der Geschichte der Bundesrepublik.
"Eine hohe Wahlbeteiligung ist nicht generell eine positive Aussage über die Qualität der Demokratie, eine niedrige Beteiligung nicht immer ein Alarmsignal", so Schily. Wenn die Bürger von Fall zu Fall entschieden, dass bestimmte Wahlen für sie nicht wichtig sind, sei dies zu respektieren. Kritisch werde es erst, wenn eine relevante Zahl von Bürgern die Legitimation der Gewählten infrage stelle. "So oder so müssen die Bürger bei Wahlen aber mehr in die Verantwortung für die aus dem Wahlergebnis folgende Politik genommen werden", forderte Schily. Mehr Demokratie sammelt deshalb in Nordrhein-Westfalen seit dem 21. März Unterschriften für die Volksinitiative "Mehr Demokratie beim Wählen".
Mit der Volksinitiative soll erreicht werden, dass die Bürger bei Kommunalwahlen in Zukunft die von ihnen favorisierten Kandidaten gezielt auswählen können. Die Wähler sollen die Möglichkeit erhalten, mehrere Stimmen auf einen Kandidaten zu konzentrieren oder Stimmen auf Bewerber verschiedener Parteien zu verteilen. Durch dieses "Kumulieren und Panaschieren" genannte Wahlrecht können die Wähler die Reihenfolge der Mandatsbewerber auf den Vorschlagslisten der Parteien noch einmal ändern.