Köln - Seit einem Jahr gelten für Bürgerentscheide in Nordrhein-Westfalen feste Regeln. Nachdem das Innenministerium des Landes eine entsprechende Verordnung erlassen hatte, beschließen immer mehr Städte, Gemeinden und Kreise eigene Satzungen zur Durchführung lokaler Abstimmungen. Die Initiative Mehr Demokratie zog jetzt eine insgesamt positive Zwischenbilanz. Seit 1994 können die Bürgerinnen und Bürger des Landes per Bürgerbegehren Abstimmungen über lokale Themen wie den Neubau von Rathäusern oder die Schließung von Schwimmbädern herbei führen. Bis Juli 2004 hatten sich aber erst 192 von 427 Städten, Gemeinden und Kreisen überhaupt eine Bürgerentscheid-Satzung gegeben. Das Innenministerium hatte die Kommunen deshalb per Verordnung hierzu verpflichtet. Diese Verordnung trat am 1. Oktober letzten Jahres in Kraft.
"Die Initiative des Ministeriums hat für Bewegung in den Städten und Gemeinden gesorgt", resümierte Daniel Schily, Landesgeschäftsführer von Mehr Demokratie am Freitag in Köln. Nach dem Verein vorliegenden Zahlen hatten bis zum Sommer über 200 Kommunen eigene Regeln für Bürgerentscheide beschlossen oder die bestehenden Satzungen geändert. Nach der Sommerpause seien zahlreiche weitere Satzungen beschlossen worden oder im Verfahren der Verabschiedung.
Die Verordnung des Innenministeriums war auch Folge der wiederholten Kritik von Mehr Demokratie an der Durchführung von Bürgerentscheiden in verschiedenen Orten. So erhielten die Stimmberechtigten in manchen Orten keine Abstimmungsbenachrichtigung. Mehrfach könnten die Bürger ihre Stimme nicht per Brief abgeben oder es wurden zu wenige Abstimmungslokale geöffnet. In Bergisch Gladbach mussten bei einem Bürgerentscheid im Jahr 2003 Abstimmungswillige deshalb teilweise bis zu einer halben Stunde anstehen, um ihre Stimme abgeben zu können. Im gleichen Jahr scheiterte nach Ansicht von Mehr Demokratie ein Bürgerbegehren in Ratingen trotz Abstimmungsmehrheit deshalb knapp an der vorgeschriebenen Zustimmung von mindestens 20 Prozent der Stimmberechtigten, weil die Stadt keine Benachrichtigung verschickt hatte.
Die seit einem Jahr gültige Bürgerentscheid-Verordnung schreibt den Kommunen Benachrichtigung und Briefabstimmung beim Bürgerentscheid vor. Auf Anregung von Mehr Demokratie wurde außerdem eine bessere Information der Bürger über den Inhalt eines Bürgerentscheids in die Verordnung aufgenommen. "Die Verordnung hat in vielen Stadt- und Gemeinderäten zu lebhaften Diskussionen über die notwendige Ausgestaltung demokratischer Verfahren geführt", freute sich Daniel Schily. Alleine das sei schon ein Gewinn für die demokratische Kultur.