"Wir wollen mitentscheiden"

Susanne Socher

In Bayern läuft seit Juli das Volksbegehren „Bayern gegen CETA“. Es geht einer ähnlichen Initiative voraus, die im September in Nordrhein-Westfalen startet. Wir haben Susanne Socher vom bayerischen Volksbegehrensbündnis zur dortigen Aktion befragt.

 

Mehr Demokratie: Susanne, ihr habt in Bayern ein Volksbegehren gegen das Investitionsschutzabkommen CETA gestartet. Was kritisiert ihr an den Abkommen, was ist euer Ziel und wer steht hinter dem Volksbegehren?

Susanne Socher: An dem Abkommen kritisieren wir vor allem, dass es ohne Parlamente und ohne die Bürgerinnen und Bürger geheim verhandelt wurde. Wir wollen mitentscheiden, wie Freihandel aussieht. Wir wollen das Feld nicht großen Konzernen überlassen, sondern mitreden, wie die Umwelt-, Verbraucher- und Sozialstandards in Zukunft aussehen sollen. Nicht einmal unsere gewählten Vertreterinnen und Vertreter in den Parlamenten können dieses Abkommen mitgestalten. Deshalb sorgen wir uns um unsere Demokratie.

 

Für uns ist es eine Selbstverständlichkeit, dass die Menschen bei großen Fragen, die Auswirkungen auf den Alltag jedes einzelnen haben gefragt werden. Wir sind uns sicher, wenn wir CETA verhindern, stoppen wir auch TTIP. Wir haben in Bayern als einzigem Bundesland die Möglichkeit, die bayerische Staatsregierung zu einem Votum im Bundesrat zu verpflichten. Nachdem nun klar ist, dass es sich um ein gemischtes Abkommen handelt, müssen auch die Bundesländer mitentscheiden. Und wir wollen, dass Bayern "Nein" sagt zu CETA.

 

Dazu haben wir uns von Mehr Demokratie in den letzten Monaten zusammen mit dem Bund Naturschutz, dem Umweltinstitut, der Katholischen Arbeitnehmerbewegung und Campact zu einem Trägerkreis zusammengeschlossen und das Volksbegehren vorbereitet. Tatkräftig unterstützt werden wir von über 40 Verbänden, zivilgesellschaftlichen Gruppen, Parteien und natürlich von vielen Menschen.

 

Mehr Demokratie: Am 16. Juli habt ihr am ersten Tag der Unterschriftensammlung für das Volksbegehren gleich 50.000 Unterschriften gesammelt. Wie habt ihr das hinbekommen?

Socher: Der Widerstand gegen TTIP und CETA ist in Bayern groß. Viele Menschen haben schon die Europäische Bürgerinitiative „Stop TTIP“ unterstützt. Es gibt zahlreiche lokale Stop TTIP/CETA-Gruppen. Die standen alle in den Startlöchern und freuten sich, mit einem wirkungsvollen Instrument ihren Unmut gegen CETA ausdrücken zu können. Und natürlich sind wir auch vor Ort gereist, haben Menschen vernetzt, lokale Bündnisse gegründet, viele Gespräche geführt und unzählige E-Mails geschrieben.

 

Am 16. Juli haben wir dann einen bayernweiten Aktionstag ausgerufen. Es fanden über 500 Infostände und Aktionen in ganz Bayern statt. Es wurden so viele Unterschriftenlisten bestellt, dass wir mit dem Versand kaum nachgekommen sind. Die Menschen standen an den Infoständen Schlange zum Unterschreiben. Sogar nach Gottesdiensten wurden Unterschriften gesammelt.

 

Mehr Demokratie:Wie sind die Reaktionen in Politik und Bevölkerung auf das Volksbegehren?

Socher: Die Menschen sind begeistert mit einem Volksbegehren eine Form gefunden zu haben mit der sie ausdrücken können, dass sie mitentscheiden wollen und eben nicht politikverdrossen sind. Hier in Bayern wissen die Menschen um die Kraft der direkten Demokratie. Jeden Tag rufen Menschen im Büro an oder schreiben Mails und fragen, wie sie mithelfen können oder freuen sich über den erfolgreichen Start. Die meisten Parteien mit Ausnahme der CSU und der SPD unterstützen das Volksbegehren. Allerdings hat sich die BayernSPD auf ihrem Landesparteitag, der just an unserem Aktionstag stattfand, gegen CETA ausgesprochen.

 

Mehr Demokratie: Wie sieht der weitere Zeitplan für das Volksbegehren aus und welche Hürden sind zu nehmen?

Socher: Im Moment haben wir die Unterschriftensammlung für die erste Stufe, den Zulassungsantrag, abgeschlossen. Jetzt müssen wir tausende von Listen zählen, nach Gemeinden sortieren und die Unterschriften bestätigen lassen. Im Herbst werden wir die Unterschriften beim Innenministerium einreichen. Dann wird das Innenministerium das Volksbegehren zulassen oder zur rechtlichen Prüfung an den Bayerischen Verfassungsgerichtshof weiterleiten. Wird der Zulassungsantrag für rechtmäßig erachtet, kommt es vermutlich Anfang 2017 zum Volksbegehren. Da müssen sich dann innerhalb von zwei Wochen rund 950.000 Menschen in den Rathäusern in die Listen eintragen. Das ist eine sehr hohe Hürde. Ist diese geschafft kommt es zum Volksentscheid.

 

Mehr Demokratie: Hast Du Tipps für unsere Volksinitiative gegen TTIP und CETA in NRW?

Socher: Das für mich Stärkste und Eindrucksvollste an dieser Kampagne ist das Zusammenwirken von unterschiedlichsten Gruppen und Menschen. Ich denke es ist wichtig alle Kräfte zu bündeln, quer durch die Bevölkerung, quer durch die Verbändelandschaft und eigene Organisationsinteressen ein Stück zurück zu stellen. Und natürlich braucht es ein gutes Stück Kraft und Einsatz, der aus meiner Sicht aber belohnt wird, wenn man erlebt, dass man wahrgenommen wird. Ich finde es wichtig, dass jede Möglichkeit ergriffen wird um zu zeigen, dass die Menschen beteiligt werden wollen. Ich wünsche euch eine gute Kampagne!

Pressemitteilung

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