"Wahlrecht ist Menschenrecht"

Landtagsabgeordneter Arif Ünal (Grüne)

Für die Verankerung des kommunalen Ausländerwahlrechts in der Landesverfassung fand sich bei einer Abstimmung am 15. März im Landtag nicht die notwendige Zweidrittel-Mehrheit. SPD, Grüne und Piraten hatten beantragt, dass Migranten, die dauerhaft in Deutschland leben, Räte und Bürgermeister wählen können. Bisher ist das nur Deutschen und Bürgern der anderen EU-Mitgliedsstaaten erlaubt.

 

Die Debatte eröffnete SPD-Fraktionsvize Hans-Willi Körfges mit dem Hinweis, dass es bereits in vielen EU-Staaten das Ausländerwahlrecht gibt. Wer seit mindestens fünf Jahren seinen Lebensmittelpunkt in Deutschland habe, solle recht haben, zu wählen. Diese Forderung werde auch durch Organisationen wie den DGB, Diakonie, Arbeiterwohlfahrt und Caritas unterstützt. Es gebe 31 Resolutionen aus Stadträten in NRW sowie aus Integrationsräten. Hart kritisierte Körfges die CDU. „Der ekelhafte Versuch, das Thema Ausländerwahlrecht auf ein Türken-Wahlrecht zu reduzieren, ist nichts anderes, als der demagogischer Versuch, eine sinnvolle Initiative madig zu machen“, so der Fraktionsvize.

 

Ausländerwahlrecht „integrationsschädlich“

CDU-Fraktionschef Armin Laschet nannte ein Ausländerwahlrecht „integrationsschädlich“. Seine Fraktion wolle mehr Einbürgerung und Beteiligung auf allen Ebenen. Wer Rechte habe, müsse auch Pflichten übernehmen und deshalb deutscher Staatsbürger werden. Außerdem sei die Initiative von SPD, Grünen und Piraten verfassungswidrig, weil sie eine Änderung des Grundgesetzes voraussetze. Mit Blick auf Versuche des türkischen Präsidenten Erdogan zur Einflussnahme auf die Politik in Deutschland warnte Laschet: „Wenn das durchkommt, was Sie wollen, haben sie demnächst in jedem Stadtrat in NRW Herrn Erdogan sitzen“.

 

Für die Grünen zeigte sich Arif Ünal entsetzt über die aktuelle Debatte. „Wir diskutieren seit 30 Jahren über das Ausländerwahlrecht, aber so eine Diskussion nur mit Unterstellungen habe ich noch nie erlebt“, so Ünal. Das Wahlrecht sei ein Menschenrecht. Es ermögliche den Zugang zur Beteiligung. Die Einbürgerung werde Einwanderern zudem nicht geschenkt. Das größte Hindernis sei laut Studien die Verhinderung der doppelten Staatsangehörigkeit. Das Erdogan-Argument ziehe schon deshalb nicht, weil z.B. 80 Prozent der Mitglieder der Union Europäisch-Türkischer Demokraten, die eine Kaderorganisation von Erdogan sei, die deutsche Staatsbürgerschaft und damit das Wahlrecht hätten.

 

Verfassungsrechtliche Bedenken

FDP-Fraktionschef Christian Lindner lehnt das kommunale Ausländerwahlrecht wegen verfassungsrechtlicher Bedenken ab. Die Wahlrechtsgrundsätze seien im Grundgesetz geregelt. Der Landtag könne nicht ohne eine Änderung des Grundgesetzes das Wahlrecht für Ausländer einführen. „Das Wahlrecht darf kein Spielball parteipolitischer Einzelinteressen sein. Es muss einen Beitrag leisten zur Befriedung der Gesellschaft“, mahnte Lindner. Deshalb sei es verantwortungslos, eine Initiativen zum Ausländerwahlrecht ohne Konsens mit CDU und FDP zu ergreifen. Die FDP befürworte Integration und aktive Teilhabe. Aktuell habe sich die Lage aber so verändert, dass es Sorgen hinsichtlich der Integrationsbereitschaft von Menschen gebe. „Das Wahlrecht ist nicht ein Instrument der Integration, Wahlrecht und Staatsangehörigkeit sind die Krone der Integration“, so Lindner.

 

„Staatsangehörigkeit schützt vor Erdowahn nicht“, meinte Piraten-Fraktionschef Michele Marsching. Jeder Türke könne sich einbürgern lassen und trotzdem Erdogan unterstützen. Nordrhein-Westfalen habe 18 Millionen Einwohner, von denen Mitte 2016 rund 2,3 Millionen Ausländer gewesen seien. 1,4 Millionen dieser Migranten lebten länger als acht Jahre in Deutschland, 914.934 Einwanderer sogar länger als 20 Jahre. „Das Wahlrecht darf nicht von tagesaktuellen Ereignissen abhängen“, appellierte Marsching an seine Parlamentskollegen.

 

“Integration nicht behindern“

„Wahlrechtsfragen sind Grundsatzfragen der Demokratie“, sagte NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) in der Debatte. Der türkische Präsident Erdogan dürfe die Diskussion nicht bestimmen, das sei schlecht für die Diskussion. Bei der Integration sei es so, dass eine Hälfte der Migranten von alleine komme, die andere Hälfte müsse man aber zum Mitmachen einladen. „Wer mitbestimmen darf, bringt sich ein, das führt zu Integration“, erklärte Kutschaty. Man dürfe Menschen nicht ausschließen, weil sie nicht genehme Parteien wählen. Das Problem sei nicht ohne doppelte Staatsbürgerschaft durch Einbürgerungen zu lösen. Ein Pass sei für viele Menschen mehr als ein Stück Papier. „Wer Integration einfordert, muss auch dafür sorgen, dass sie nicht behindert wird. Das Kommunalwahlrecht wäre eine Chance dazu“, meint der Justizminister.

Pressemitteilung

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