TTIP & CETA "nicht zustimmungsfähig"

Stefan Engstfeld

Der Grünen-Abgeordnete Stefan Engstfeld aus Düsseldorf ist in seiner Fraktion zuständig für europapolitische Fragen und damit auch für die von der EU mit den USA und Kanada verhandelten Investitionsschutzabkommen TTIP und CETA. Unser Praktikant Felix Hoffmann hat Engstfeld gefragt, wie er und seine Partei zu den umstrittenen Abkommen stehen.

 

Mehr Demokratie: Herr Engstfeld. Wie bewerten Sie die Bemühungen um Freihandelsabkommen der EU mit den USA und Kanada?

Stefan Engstfeld: Grundsätzlich gilt für uns: Handelsabkommen, die negative Folgen für die kommunale Daseinsvorsorge beinhalten, die Umwelt- oder Verbraucherschutzstandards direkt oder indirekt absenken oder die Einführung neuer Standards behindern, oder die zwischen Industrieländern gänzlich unnötigen Investor-Staatsklagen im Vertrag verankern, sind für uns Grüne in NRW nicht zustimmungsfähig.

Wir Grüne wollen verhindern, dass durch Freihandelsabkommen Eingriffe in die Gestaltungsfähigkeit und Gestaltungshoheit der Politik und Rechtsprechung stattfinden. Je nach Ausgestaltung der Abkommen bestehen zahlreiche Gefahren für die europäischen Standards beispielsweise in den Bereichen Produktsicherheit, Gesundheits-, Sozial-, Umwelt-, Klima-, Lebensmittel- und Tierschutz, die Verbraucher- und Datenschutzrechte sowie Schutzrechte für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Daseinsvorsorge und unsere rechtsstaatlichen Prinzipien, auch in NRW.

Freihandelsabkommen, wie das derzeit zwischen der EU mit den USA verhandelte TTIP oder das mittlerweile ausverhandelte Abkommen zwischen der EU und Kanada, CETA, bleiben noch über viele Jahre hinweg strittige Themen auf allen politischen Ebenen, von der internationalen Ebene bis zu den Kommunen.

 

Mehr Demokratie: Seit 2007 liegt die Kompetenz für Handelspolitik bei der EU. Ist sie dort gut aufgehoben? Was muss die EU aus Ihrer Sicht in diesen Fragen lernen?

Engstfeld: Die Kompetenz für Handelspolitik bei der EU zu bündeln finde ich grundsätzlich richtig. In den letzten Jahren hat die Europäische Kommission erfahren, dass sie nicht an den Regierungen, Parlamenten und Bevölkerungen der EU vorbei verhandeln kann. Transparenz ist bei Entscheidungen von großer Tragweite sehr wichtig, genauso wie Beteiligung. Hier gibt es in den aktuellen Verhandlungen aber noch sehr viel Spielraum nach oben. Da muss sich noch einiges ändern.

Die Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsstaaten müssen größtenteils noch lernen, dass die Parlamente keine Abnick-Vereine sind. Die Parlamentarierinnen und Parlamentarier müssen bei Entscheidungen einbezogen werden. Es ist nicht ratsam an ihnen vorbei zu regieren.

 

Mehr Demokratie: Als Mitglied im Ausschuss der Regionen beschäftigen Sie sich unter anderem mit den regional- und kommunalpolitischen Auswirkungen von Handelsabkommen. Welche mögliche Konsequenzen hätte die Ratifizierung von CETA oder TTIP für die Städte und Gemeinden Nordrhein-Westfalens?

Engstfeld: TTIP und CETA hätten in der derzeitigen Form zahlreiche negative Auswirkungen auf die Städte und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen. Ein wichtiges Beispiel sind die sogenannten Ratchet- und Sperrklinkenklauseln. Diese würden den Grad der Liberalisierung von Dienstleistungen festschreiben. Sie würden nicht zulassen, dass beispielsweise die lokale Wasser- oder Energieversorgung zurück in die Hand der Kommunen genommen wird, auch wenn ein Stadtrat dies wollen würde. Oder sie könnten dazu führen, dass die Wasserversorgung künftig überall in private Hände geht.

Dass die Leistungen der Daseinsvorsorge von diesen Klauseln und anderen Regelungen ausgenommen sind, wie die Europäische Kommission behauptet, ist nicht sicher. Die vorliegenden Texte lassen das Gegenteil erkennen. Aber auch darüber hinaus könnte es für die Kommunen und Städte zu vielen Problemen kommen, die nicht im Einklang mit der politischen Kultur in NRW stehen.

 

Mehr Demokratie: In dem Ausschuss der Regionen befinden sich derzeit 350 Mitglieder aus 28 Mitgliedsstaaten. Ist die Debatte um TTIP und CETA von großer Diskrepanz geprägt oder lassen sich doch auch in hohem Maße gemeinsame Positionen finden?

Engstfeld: Natürlich gehen im Ausschuss der Regionen die Meinungen auch auseinander. Viele Vertreterinnen und Vertreter sehen in den Abkommen Chancen für Europa. Dennoch hat der Ausschuss im Februar 2015 eine Stellungnahme beschlossen, in der zahlreiche Vorbehalte geäußert wurden. Wenn die europäischen Schutzstandards und unsere demokratischen Prozesse durch die Abkommen gefährdet werden, dann kann es keine Zustimmung geben.

 

Mehr Demokratie: Viel beklagt wird die mangelnde Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger am nationalen, als auch europaweiten Politikgeschehen. Sehen Sie es als notwendige Maßnahme an, die Bürgerinnen und Bürger an einer solch weitreichenden Entscheidung zu beteiligen?

Engstfeld: Ja. Es ist ein zentrales Anliegen der Grünen, die Politik den Bürgerinnen und Bürgern näher zu bringen und sie stärker an den Prozessen zu beteiligen. In Deutschland ist derzeit ein Referendum auf Bundesebene nicht möglich, daher ist es Aufgabe der Parlamente, die richtige Entscheidung für die Menschen zu treffen. Wie eine direkte Beteiligung der Bevölkerung genau aussehen kann und zu welchen Zeitpunkt sie erfolgt: Darüber gibt es noch Diskussionsbedarf.

 

Mehr Demokratie: Wie würden Sie die Stimmungslage innerhalb der Grünen beschreiben? Ist die Position zu den geplanten Handelsabkommen einheitlich oder gibt es Ausreißer?

Engstfeld: Mir sind keine Grünen-Mitglieder bekannt, die TTIP und CETA in der vorliegenden Form richtig gut finden.

 

Mehr Demokratie: Werden die Grünen NRW eine Position zu TTIP und CETA in das Wahlprogramm für die anstehende Landtagswahl am 14.Mai 2017 aufnehmen - immerhin könnten sie in der nächsten Legislaturperiode wieder an der Regierung beteiligt sein?

Engstfeld: Natürlich werden wir Grüne uns in unseren Programmen zur Landtags- und Bundestagswahl 2017 zu TTIP und CETA positionieren. Das wird auf der Linie unserer zahlreichen Partei- und Fraktionsbeschlüsse sein. Auch wenn ich hoffe und dafür werbe, dass wir in NRW erneut die Regierung mitstellen können, ist es egal, ob wir in der Regierung oder der Opposition sein werden: wir werden uns klar gegen die beiden Abkommen in dieser Form positionieren. Das Wahlprogramm für NRW wird derzeit ausgearbeitet. Wie die Formulierungen zu TTIP und CETA aussehen werden, das entscheidet die Partei abschließend im Dezember dieses Jahres.

Pressemitteilung

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