"Die Bürger beißen nicht"

Piraten-Fraktionschef Michele Marsching (Bild: Tobias M. Eckrich, Piratenfraktion NRW)

Gibt es nach dem Scheitern einer Einigung in der Verfassungskommission des Landtags doch noch eine Chance für die Vereinfachung von Volksbegehren in Nordrhein-Westfalen? Eine Debatte im Landesparlament am 26. Januar macht jedenfalls wieder Hoffnung.

 

Auf Antrag der Piraten hatte der Landtag an diesem Tag über die Senkung der Unterschriftenhürde für Volksbegehren und über die Ausweitung der Amtseintragung debattiert. Dabei zeigten fast alle Fraktionen Diskussions- und Änderungsbereitschaft.

 

Zum Start des Volksbegehrens „G9 jetzt in NRW“ Anfang Januar hatte Mehr Demokratie kritisiert, dass sich unterstützungsbereite Bürgerinnen und Bürger nur zum Beginn der einjährigen Sammelfrist in den Rathäusern in die Unterschriftenlisten eintragen können. Die amtlichen Eintragungsstellen sind vom 2. Februar bis zum 7. Juni geöffnet. Das Unterschreiben an Infoständen, bei Veranstaltungen etc. ist jedoch das ganze Jahr lang möglich.

 

Erfahrungsgemäß entscheiden sich viele Menschen erst zum Ende der Sammelfrist, ein Volksbegehren zu unterschreiben. Die Möglichkeit zur Eintragung in den Rathäusern fehlt dann. Dieses Angebot ist aber z.B. für all die Menschen wichtig, die sich aus Angst vor dem Missbrauch ihrer Adressdaten nicht bei Straßensammlern eintragen wollen.

 

Bürger ermuntern

Die Piratenfraktion hat die Kritik von Mehr Demokratie aufgegriffen und beantragt, die Amtseintragung für Volksbegehren während der gesamten einjährigen Sammelfrist anzubieten. „Die Bürger beißen nicht“, sagte Piraten-Fraktionschef Michele Marsching in der Landtagsdebatte. "Wir ermuntern die Bürger, sich an der Entscheidung von Gemeinwohlfragen zu beteiligen.“ Für die SPD ist die Amtseintragung nicht das dringendste Anliegen, erklärte Hans-Willi Körfges, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Sozialdemokraten. Die Kommunen dürften nicht übermäßig mit dem mit Volksbegehren verbundenen Verwaltungsaufwand strapaziert werden. Man wolle lieber über die Unterschriftenhürde diskutieren.

 

"Wir halten den Vorschlag der Piraten nicht für falsch, die repräsentative Demokratie muss aber funktionsfähig bleiben“, erklärte der Landtagsabgeordnete Werner Jostmeier für die CDU. Seine Fraktion sei für die unmittelbare Teilnahme der Bevölkerung an Fragen des Gemeinwohls. Auch die Grünen bekundeten Diskussionsbereitschaft. Der Abgeordnete Stefan Engstfeld sieht aber noch Klärungsbedarf bei Details des Piraten-Antrags.

 

Bürger teilhaben lassen

Die FDP sieht die von den Piraten vorgeschlagene Neuregelung der Amtseintragung hingegen nicht als zwingend notwendig an, erläuterte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende Angela Freimuth. Die Amtseintragung über den ganzen Zeitraum eines Volksbegehrens widerspreche der Selbstverantwortlichkeit von dessen Initiatoren.

 

„Die Landesregierung ist sehr daran interessiert, die Bürger teilhaben zu lassen“, sagte NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD). Die amtliche Listenauslegung für Volksbegehren bedeute aber einen großen Aufwand für die Kommunen. Es bedürfe einer Abwägung von Nutzen und Aufwand. Jäger will beobachten, welche Erfahrungen bei der Unterschriftensammlung für das Volksbegehren „G9 jetzt in NRW“ gemacht werden und diese Erfahrungen dann auswerten.

 

Weniger Unterschriften für Volksbegehren

Die zweite Debatte über eine niedrigere Unterschriftenhürde für Volksbegehren fand zu später Stunde statt. Deshalb gaben die Redner aller Fraktionen nur kurze Stellungnahmen ab. Die Piraten schlagen vor, das Unterschriftenquorum von derzeit acht Prozent aller Stimmberechtigten auf fünf Prozent zu senken. Das wären rund 660.000 statt 1,1 Millionen Unterschriften.

 

SPD, Grüne und FDP zeigten sich diskussionsbereit. Nur die CDU, deren damaliger Spitzenkandidat Norbert Röttgen vor der letzten Landtagswahl ein Unterschriftenquorum in genau dieser Höhe vorgeschlagen hatte, lehnte eine Änderung ab. Nach dem Scheitern einer Einigung in der Verfassungskommission sollten die anderen Fraktionen nicht länger auf ein „totes Pferd“ setzen, sagte der CDU-Landtagsabgeordnete Werner Jostmeier.

 

Demokraten sollten sich einigen

Für eine Änderung der Landesverfassung zur Senkung der Unterschriftenhürde für Volksbegehren ist eine Zwei Drittel-Mehrheit notwendig. Dazu würden auch die Stimmen von SPD, Grünen, FDP und Piraten reichen. Es wäre allerdings schön, wenn Demokraten sich in einer so wichtigen Frage einigen würden. Die Debatte wird nun in den zuständigen Ausschüssen des Landtags weiterdiskutiert. Mit etwas Glück gibt es noch vor der Landtagswahl am 14. Mai bessere Regeln für die direkte Demokratie auf Landesebene.

Pressemitteilung

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