Köln/Ratingen - Die Initiative Mehr Demokratie wirft der Mehrheit des Ratinger Stadtrats vor, einen Bürgerentscheid über das Rathaus der Stadt bewusst zu ignorieren und zu unterlaufen. Im Juli 2005 hatten 67,4 Prozent der Abstimmenden in einem Bürgerentscheid für eine Sanierung des Rathauses anstelle eines geplanten Neubaus votiert. Bis heute wurde der Bürgerbeschluss nicht umgesetzt. Vielmehr plant eine Ratsmehrheit aus CDU, SPD und Bürgerunion nun doch einen Neubau.
Die Stadt behauptet inzwischen, dass der Bürgerentscheid aufgrund eines Gerichtsurteils nicht verbindlich sei. Allgemein gilt für Bürgerentscheide in Nordrhein-Westfalen eine Bindungswirkung von zwei Jahren. Soll ein Bürgerentscheid in diesem Zeitraum aufgehoben werden, kann dies nur durch einen neuen Bürgerentscheid geschehen.
"Die Ratinger Interpretation des Urteils des Verwaltungsgerichts Minden zur Zulässigkeit eines Bürgerbegehrens in Paderborn ist unhaltbar", kommentierte Daniel Schily, Landesgeschäftsführer von Mehr Demokratie, die Vorgänge. Das nach dem Bürgerentscheid in Ratingen ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts habe auf die Bindungswirkung der Abstimmung keinen Einfluss. Schily vermutet eine bewusste Fehlinterpretation zur Rechtfertigung des Handelns der Ratsmehrheit.
Nach Berechnungen der Stadt würde ein Neubau des Rathauses gut 26 Millionen Euro kosten, eine Sanierung hingegen rund 22 Millionen Euro. Bürgermeister Harald Birkenkamp (Bürgerunion) und die Mehrheit des Rates halten die Mehrkosten von 4 Millionen Euro für vertretbar.
"Wenn Bürgermeister und Rat einen Neubau wollen, sollen sie sich dafür eine Mehrheit bei den Bürgern holen", forderte Schily. Andernorts würden Bürgermeister ihre Projekte inzwischen sogar freiwillig zur Abstimmung vorlegen. In Hamm hatten die Wähler in einem von Bürgermeister und Rat angesetzten Ratsreferendum im letzten Jahr die Anlage eines Stausees mehrheitlich abgelehnt. Im Mai dieses Jahres findet in Neuss eine Abstimmung über die Verlegung einer Straßenbahntrasse statt.