Insgesamt wurden im ersten Halbjahr diesen Jahres 13 Bürgerbegehren neu eingeleitet und 16 Verfahren abgeschlossen. Von den abgeschlossenen Verfahren wurden zwei jeweils vom Stadt- oder Gemeinderat angenommen, eins endete in einem Kompromiss und drei wurden aus unterschiedlichen Gründen für unzulässig erklärt. Das Düsseldorfer Bürgerbegehren zur Finanzierung des Kirchentages erreichte nicht die notwendige Anzahl an Unterschriften in der vorgegebenen Zeit. Insgesamt acht Mal wurden die Bürger in NRW an die Abstimmungsurne gerufen, der Bürgerentscheid in Nümbrecht wurde jedoch nachträglich als Bürgerbefragung gewertet. Einzelne Themenschwerpunkte lassen sich für das Jahr bisher nicht ausmachen. Generell sind aber Dauerbrennerthemen wie Schulen, Rathäuser und Feuerwehr-Neubauten wie in den Vorjahren wieder vertreten.
Die Bürgerentscheide im Überblick
In diesem Jahr zeigt sich laut Wölfel deutlich, dass die Ausgestaltung eines Bürgerentscheides deutlichen Einfluss auf die Beteiligung nehme. Überall dort, wo die Abstimmungsunterlagen automatisch zugesendet werden und nicht erst beantragt werden müssen, sei die Abstimmungsbeteiligung überdurchschnittlich hoch. Fünf von acht Kommunen hätten auf die automatische Briefabstimmung gesetzt. Die Bürger in Engelskirchen, Siegen, Herten, Welver und Nümbrecht haben alle Abstimmungsunterlagen zusammen mit der Abstimmungsbenachrichtigung automatisch zugeschickt bekommen. In Engelskirchen beteiligten sich knapp 46 Prozent der Abstimmungsberechtigten am Bürgerentscheid zum Umbau der alten Bücherfabrik, in Siegen lag die Beteiligung beim Bürgerentscheid zum Erhalt von Haupt- und Realschulen bei 35 Prozent. In Herten stimmten 34 Prozent beim Bürgerentscheid zum Feuerwehrgerätehaus ab. Zuletzt stimmten knapp 40 Prozent der Bürger in Welver über die Aufhebung mehrerer Ratsbeschlüsse ab. Auch in Nümbrecht stimmten die Bürger ab, die Beteiligung lag bei 56 Prozent. Der Ratsbürgerentscheid zum Bau von Windkraftanlagen wurde nachträglich allerdings als Bürgerbefragung gewertet, da die Kommunalaufsicht die Fragestellung des Begehrens beanstandet hatte.
Bei den Bürgerentscheiden in Issum, Erkrath und zuletzt auch in Viersen wurden die Abstimmungsunterlagen nicht automatisch an alle verschickt. Alle drei Bürgerentscheide scheiterten trotz klarer Mehrheiten am Zustimmungsquorum. Das besagt, dass zusätzlich zur einfachen Mehrheit auch ein bestimmter Anteil der Bürger im Sinne der Initiative abstimmen muss, damit der Bürgerentscheid gültig ist. In Issum und Erkrath konnte im Wahllokal oder auf Antrag per Brief abgestimmt werden. Der Bürgerentscheid in Viersen fand als reine Briefabstimmung statt, die Unterlagen dafür mussten aber extra beantragt werden. In Issum beteiligten sich 25 Prozent der Abstimmungsberechtigten, in Erkrath 21 Prozent und in Viersen lediglich acht Prozent. Die Bürger konnten in Erkrath über den Erhalt der Hasenwiese, in Issum über einen Sonderverkehr für Grundschüler und in Viersen über den Ausbau einer Grundschule entscheiden.
Bisher ist noch ein weiterer Bürgerentscheid im Jahr 2023 terminiert. Im August wird in Viersen ein zweites Mal abgestimmt. Bei der zweiten Abstimmung entscheiden die Bürger über eine Verlängerung des Primus-Schulmodelles. Auch dieser Bürgerentscheid findet als reine Briefabstimmung auf Antrag statt. „Die Beteiligung an Abstimmungen sollte für die Bürgerinnen und Bürger so einfach wie möglich sein. Müssen die Unterlagen für die Abstimmung erst noch beantragt werden, stellt das eine zusätzliche Hürde dar. Schade, dass die Stadt Viersen nichts aus dem ersten Bürgerentscheid gelernt hat“, so Wölfel abschließend.
Hintergrund
Seit der Einführung von Bürgerbegehren in NRW im Jahr 1994 gab es bis Ende Juni 2023 insgesamt 955 Verfahren. Diese unterteilen sich in 924 Bürgerbegehren und 31 Ratsbürgerentscheide. Insgesamt fanden 290 Bürgerentscheide statt. 317 der 914 Bürgerbegehren wurden für unzulässig erklärt, was einem Anteil von rund 35 Prozent entspricht. Mit insgesamt 117 Verfahren sind 40 Prozent aller Bürgerentscheide in NRW unecht am Zustimmungsquorum gescheitert. NRW belegt im Vergleich der Bundesländer den ersten Platz, was den Anteil unecht gescheiterter Bürgerentscheide angeht.
Stichtag der Analyse war der 30. Juni 2023. Als Grundlage diente die „Datenbank Bürgerbegehren“. Die Daten werden in einem Kooperationsprojekt zwischen der Forschungsstelle Bürgerbeteiligung an der Bergischen Universität Wuppertal und der Forschungsstelle Bürgerbeteiligung und Direkte Demokratie an der Philipps-Universität Marburg erhoben. Unterstützt wird das Projekt von Mehr Demokratie e.V.
Weiterführende Informationen: