Landtagswahl: Zwei Stimmen reichen nicht

Bei Landtagswahlen haben die Bürgerinnen und Bürger in NRW zwei Stimmen. Mit der Erststimme entscheiden sie über die Wahl des Direktkandidaten im lokalen Wahlkreis, mit der Zweitstimme über die Unterstützung der von ihnen favorisierten Partei.

 

Eine tatsächliche Einflussnahme auf die personelle Zusammensetzung des Landesparlaments ist damit aber weitgehend ausgeschlossen.

 

Das aktuelle Landeswahlrecht hat einige gravierende Nachteile:

 

  • Es werden zwei Klassen von Abgeordneten geschaffen: die in ihren Wahlkreisen unmittelbar gewählten und diejenigen, die über die Reservelisten der Parteien in das Parlament einziehen und damit viel stärker von der Gunst ihrer Partei abhängig sind.
  • Listenkandidaten werden durch Direktkandidaten verdrängt. So verpasste z.B. die frühere Landtagspräsidentin Regina van Dinther 2005 zunächst den Einzug in das Landesparlament, da sie das Direktmandat in ihrem Wahlkreis verfehlt hatte. Nur durch den demokratiepolitisch bedenklichen Verzicht des CDU-Abgeordneten Günter Kozlowski auf sein Direktmandat konnte sie noch vor der Konstituierung des Landtags über die Landesliste in das Parlament nachrücken.
  • Für kleinere Parteien fällt das Element der unmittelbar gewählten Parlamentarier praktisch aus.
  • Es kommt zu Überhangmandaten, wenn eine Partei durch zahlreiche Direktmandate mehr Sitze im Landtag erhält, als ihr nach Parteistimme zustehen.
  •  

    Mehr Stimmen, mehr Demokratie

    Die Lösung des Problems liegt in einem personenbezogenen Wahlsystem in Anlehnung an das bayerische Landeswahlrecht und an das bereits in den meisten Bundesländern praktizierte System der Wahl zu den Stadt- und Gemeinderäten sowie Kreistagen (Kumulieren und Panaschieren).

     

    In Bayern ist das Wahlgebiet des Freistaats in sieben Wahlbezirke unterteilt. In diesen Wahlbezirken können die Wähler mit einem Kreuz einen Mandatsbewerber aus den Listen aller Parteien gezielt auswählen. Bei Kommunalwahlen in inzwischen 13 Bundesländern können die Wähler zudem je nach Bundesland bis zu fünf Stimmen auf einzelne Kandidaten anhäufen. Damit ist es möglich, die Listenreihenfolge der Kandidaten noch einmal zu verändern.

     

    Vorschlag

    Mehr Demokratie schlägt vor, beide Wahlsysteme in Nordrhein-Westfalen miteinander zu verbinden:

  • NRW wird in Wahlbezirke eingeteilt. Hierbei könnte man sich z.B. an den bestehenden Grenzen der Regierungsbezirke orientieren. Für jeden Wahlbezirk werden von den Parteien eigene Kandidatenlisten aufgestellt. Jedem Wahlbezirk steht im Landtag eine bestimmte Zahl an Sitzen zu.
  • Jeder Wähler erhält drei Stimmen. Diese Stimmen kann jeder Wähler auf Kandidaten aller auf den Wahlbezirkslisten vertretenen Parteien verteilen (panaschieren) oder alle drei Stimmen auf einen Kandidaten häufeln (kumulieren).
  •  

    Vorteile

    Die Vorteile des vorgeschlagenen Wahlsystems liegen auf der Hand

  • die Wähler bestimmen die Listenplätze der Mandatsbewerber
  • die aus den Wahlbezirkslisten gewählten Politiker sind unmittelbar legitimiert
  • es entstehen sehr viel weniger Überhang- und Ausgleichsmandate
  • "Mehr Bürgereinfluss"

    "Auch die Demokratie muss, wenn ihr Wert vermittelt werden soll, spürbar sein, ja wieder stärker spürbar werden. Ich kann mir durchaus mehr direkten Einfluss der Bürger vorstellen, etwa das Kumulieren und Panaschieren der Wählerstimmen auch bei Bundes- und Landtagswahlen."

    Roman Herzog, Bundespräsident 1994 - 1999, † 2017

     

    Parteien zur Wahl

    Die Positionen der nordrhein-westfälischen Parteien zum Thema Wahlrecht finden Sie hier