Themenausschlüsse - Begehren verboten

In NRW dürfen die Bürger noch lange nicht über alle kommunalpolitisch wichtigen Themen abstimmen. So sind Bürger- und Ratsbegehren zu Großprojekten wie dem Ausbau von Flughäfen, Häfen und Brücken ebenso untersagt wie solche zu Kraftwerken, U-Bahn- und Straßenbahnstrecken oder Windkraftanlagen.

Die Gemeindeordnung verbietet ausdrücklich u.a. Initiativen zu Angelegenheiten, die im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens oder eines förmlichen Verwaltungsverfahrens mit Öffentlichkeitsbeteiligung oder eines abfallrechtlichen, immissionsschutzrechtlichen, wasserrechtlichen oder vergleichbaren Zulassungsverfahrens zu entscheiden sind. Damit werden die Bürger gerade bei Entscheidungen über Großprojekte im Zustand der Unmündigkeit gehalten. Ausgeschlossen sind außerdem Bürgerentscheide über die Aufstellung, Änderung, Ergänzung und Aufhebung von Bebauungs- und Flächennutzungsplänen mit Ausnahme der Entscheidung über die Einleitung des Bauleitplanverfahrens. Hierunter fällt etwa der Bau neuer Einkaufszentren.

Begründet wird der Ausschluss solcher Themen vom Bürgerentscheid damit, dass die Bürger ja bereits per Anhörungsverfahren an der Planung beteiligt seien und sich mit einem Bürgerentscheid ja selbst Konkurrenz machen und eventuell in Widerspruch zu sich selbst geraten würden. Während es in solchen Beteiligungsverfahren aber nur noch um das Wie einer Planung geht, wird in einem Bürgerentscheid dagegen grundsätzlich über das Ob einer Maßnahme entschieden. Hier gibt es also einen qualitativ ausschlaggebenden Unterschied. In den Bundesländern Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen sind solche Bürgerbegehren deswegen erlaubt.

Bürger werden in Totalwiderstand getrieben

Wenn bei Bauleitplanungsfragen durch eine „Ausnahme von der Ausnahme“ nur der Aufstellungsbeschluss bürgerentscheidsfähig bleibt und dies mit einer Frist für Bürgerbegehren zur Aufhebung von Ratsbeschlüssen verbunden wird, entsteht keine akzeptable Lösung. Denn mit dem Aufstellungsbeschluss muss die Gemeinde neben der Flächenbegrenzung keinerlei inhaltliche Vorgabe verbinden, so dass bei Ablauf der Frist eventuell noch völlig unklar ist, was geplant ist. Während die Kommune mit verdeckten Karten spielt und durch den Aufstellungsbeschluss zunächst lediglich den Fristbeginn auslöst, treibt sie die zunehmend misstrauisch werdende Bevölkerung frühzeitig in den Totalwiderstand – im Ergebnis das Gegenteil von „Bürgerkommune“ und dies gesetzlich befördert.

Sehr viel günstiger wirkt die Regelung, wenn gleichzeitig die Frist für kassierende Bürgerbegehren gestrichen wird. Dann können Gemeinde und Bürgerschaft die dialog- und konsensorientierten Formen der Bürgerbeteiligung zunächst ausschöpfen, weil die Planung bis zum Satzungsbeschluss notfalls durch Bürgerentscheid gestoppt werden kann. Wenn auch „Änderung“ und „Ergänzung“ des Aufstellungsbeschlusses bürgerentscheidsfähig sind, können die Bürgerinnen und Bürger sich auch konstruktiv einbringen und statt bloßen Stopps inhaltliche Vorgaben zur Abstimmung stellen, weil diese in Verbindung mit dem Aufstellungsbeschluss für die endgültige Abwägung durch den Gemeinderat offen bleiben.

Finanztabu

Von der Gemeindeordnung werden auch Bürger- und Ratsbegehren über Abgaben und Gebühren untersagt. Es ist aber nicht einzusehen, warum Bürgerinnen und Bürger nicht, wenn sie es wollen, über die Höhe von Hundesteuern, über die Verteilung der Lasten auf Gebühren und Beiträge bei Erschließungs- und Entwässerungskosten oder über den Kostendeckungsgrad der Entgelte von Kindergärten, Schwimmbädern und Friedhöfen entscheiden sollen. Entsprechendes sollte dann aber auch für die Hebesätze von Grund- und Gewerbesteuer wie auch für die Kreditermächtigung gelten, die die Haushaltssatzung festlegt. Die dem Monarchen einst abgetrotzte Finanzhoheit der Parlamente wie auch der Gemeinderäte kann gegenüber dem demokratischen Souverän keine Sperre sein.

Negativbeispiele:

Heiligenhaus: In Heiligenhaus wollten Sportvereine 2013 ein Bürgerbegehren gegen die Erhebung von Nutzungsgebühren für Sportanlagen in der Stadt initiieren. Da die Gemeindeordnung dies verbietet, wurde das Ansinnen nicht weiter verfolgt.

Köln: Der Rat der Stadt Köln hat am 29. Januar 2008 ein Bürgerbegehren gegen den Ausbau des Godorfer Hafens für unzulässig erklärt. Begründung: das Begehren richte sich gegen eine Angelegenheit, die im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens zu entscheiden sei.

Pulheim: Der Rat der Stadt Pulheim hat am 29. Januar 2013 ein Bürgerbegehren für den Erhalt des Hallenbades im Zentralort für unzulässig erklärt. Begründung: In der Sache solle eine Bauleitplanentscheidung getroffen werden.

Mehr Demokratie fordert: Themenausschlüsse weitgehend streichen

 

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Hintergrund

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