Drei Jahre Vorprüfung - eine Zwischenbilanz

Von Malin von der Linden

In der folgenden Auswertung wird dargelegt, welchen Einfluss die Anfang 2019 eingeführte optionale Vorprüfung der Zulässigkeit von Bürgerbegehren hat. Die Vorprüfung kann von den Vertretungsberechtigten eines Bürgerbegehrens bei der zuständigen Stadt- oder Gemeindeverwaltung beantragt werden. Laut Gemeindeordnung müssen dem Antrag die Unterschriften der Vertretungsberechtigten sowie 25 Unterstützerinnen und Unterstützer beigefügt werden. Wurde eine Vorprüfung beantragt ist die Verwaltung dazu verpflichtet das Bürgerbegehren auf formelle Zulässigkeit zu prüfen. Es wird also – in der Regel vor Beginn der Unterschriftensammlung – überprüft, ob Fragestellung, Begründung, Gegenstand usw. zulässig sind.

Dies soll unter anderem verhindern, dass erst nach der sehr zeit- und ressourcenaufwändigen Unterschriftensammlung zum Beispiel eine fehlerhafte Fragestellung festgestellt und das Bürgerbegehren damit für unzulässig erklärt wird. Somit ist die Intention der Vorprüfung Frustration und unnötige Arbeit für die Initiatoren und Initiatorinnen zu vermeiden sowie die Anzahl der unzulässigen Bürgerbegehren zu verringern.

Seit der Einführung kommunaler Bürgerbegehren im Jahr 1994 wurden 299 der insgesamt 926 Bürgerbegehren für unzulässig erklärt, was einem Anteil von rund 32 Prozent entspricht. Bevor die Vorprüfung in NRW eingeführt wurde, gab es bereits ähnliche Regelungen in anderen Bundesländern, zum Beispiel in Niedersachsen.

Für die folgende Auswertung der Zulässigkeitsvorprüfung wurden 89 Initiatoren und Initiatorinnen von Bürgerbegehren, welche seit Mai 2019 ein Bürgerbegehren gestartet haben, kontaktiert und ihnen wurden folgende fünf Fragen gestellt:

  1. Haben Sie eine Vorprüfung der Zulässigkeit Ihres Bürgerbegehrens beantragt?
  2. Würden Sie die Vorprüfung, im Falle eines weiteren Bürgerbegehrens, in Anspruch nehmen?
  3. In dem Fall, dass Sie eine Vorprüfung hatten, war diese Vorprüfung erfolgreich?
  4. War Ihre Erfahrung mit der Vorprüfung insgesamt eher positiv oder negativ?
  5. Wurden Sie im Zuge der Vorprüfung weiterführend beraten?

Von den 89 kontaktierten Initiativen beantworteten 28 die gestellten Fragen. Dazu muss gesagt werden, dass einige Initiatoren und Initiatorinnen mehrere Begehren gestartet haben und daher auch mehrere Anfragen bekamen. Bei der Anzahl der Antworten war dies schwer zu berücksichtigen, da in den meisten dieser Fälle alle gestellten Begehren zusammengefasst beantwortet wurden. Auch muss berücksichtigt werden, dass in einzelnen Fällen nicht immer ein expliziter Initiator oder eine Initiatorin ausfindig gemacht werden konnte oder Kontaktdaten nicht mehr aktuell waren.

In fünf Fällen konnte kein Initiator bzw. keine Initiatorin ausfindig gemacht werden. Deshalb wurde stellvertretend die zuständige Stadtverwaltung gebeten, die Anfrage weiterzuleiten. Die Fragen wurden der Verwaltung nicht mitgeteilt und wurden in dem Fall einer erfolgreichen Weiterleitung den Initiatorinnen und Initiatoren direkt zugesendet.

Beweggründe ,,für“ oder ,,gegen“ eine Vorprüfung

Im Folgenden wird dargelegt, ob die Befragten eine Vorprüfung beantragt haben und ob sie in dem Falle eines erneuten Bürgerbegehrens wieder die Möglichkeit der Vorprüfung in Anspruch nehmen würden. Erste Beweggründe für oder gegen eine Vorprüfung werden ebenfalls aufgezeigt.

Insgesamt 15 Mal, was 54 Prozent der Rückmeldungen entspricht, gaben die Befragten an, die Vorprüfung in Anspruch genommen zu haben. Als Gründe dafür wurden beispielsweise die fristhemmende Wirkung der Vorprüfung und die Sicherheit die Arbeit, die Zeit und das Geld nicht umsonst in das Bürgerbegehren investiert zu haben, angegeben.

13 Initiatoren und Initiatorinnen entschieden sich gegen eine Vorprüfung. Häufig genannte Gründe gegen eine Vorprüfung war die nicht unabhängig agierende, prüfende Verwaltung und das daraus resultierende Misstrauen und die Unzufriedenheit gegenüber der als ,,Gegenseite“ wahrgenommenen Verwaltung.1 Einige Initiatoren und Initiatorinnen nannten erhöhte Kosten und einen höheren Zeitaufwand als Argument gegen eine Vorprüfung.

Auf die Frage, ob im Falle eines weiteren Bürgerbegehrens eine Vorprüfung in Anspruch genommen werden würde, antworteten zehn der Befragten (36%) mit „Ja“. Als Gründe dafür nannten die Befragten vor allem die Minimierung des Aufwandes und die Sicherheit, dass das Begehren zulässig ist.

Sieben Befragte (25%) antworteten mit „Nein“. Laut der Befragung waren dafür, unter anderem, der erhöhte Zeitaufwand durch die Vorprüfung und das geringere Kostenrisiko in kleineren Gemeinden ausschlaggebend. Außerdem wurden gute Kontakte in die Verwaltung genannt, was dazu führt, dass eine Vorprüfung durch interne Absprachen unnötig wird.

Acht Befragte (28%) sind sich unsicher und würden eine Beantragung der Vorprüfung von der Situation, also der zuständigen Verwaltung und der zur Verfügung stehenden Zeit abhängig machen. Von drei Befragten (11%) wurde die Frage nicht eindeutig beantwortet.

Erfahrungen mit der Vorprüfung

In den folgenden Abschnitten wird genauer auf die Erfahrungen der befragten Initiativen mit dem Instrument der Vorprüfung eingegangen. Darüber hinaus werden einige Aspekte hervorgehoben, die von den 15 Initiativen, die die Prüfung durchlaufen haben, als positiv oder negativ bewertet werden.

In sieben Fällen (47%) war die Vorprüfung erfolgreich und der Rat hat das Begehren für zulässig erklärt. Somit konnte mit der Unterschriftensammlung gestartet werden. In einem Fall konnte, durch eine Nachbesserung der Fragestellung, ein Bürgerbegehren erfolgreich durchgeführt werden.

In sieben Fällen (47%) war die Vorprüfung nicht erfolgreich. Dies wurde von vier Befragten mit einer unfairen Behandlung der Initiative durch die Verwaltung begründet. In einem Fall wurde ein Bürgerbegehren trotz negativem Ergebnis der Vorprüfung als Anregung genutzt und in einer folgenden Ratssitzung aufgegriffen. Somit war das Bürgerbegehren trotz Unzulässigkeit ,,erfolgreich“. In einem Fall steht das Ergebnis der Vorprüfung noch aus.

 

Etwa die Hälfte der Befragten (47%) ist mit der Vorprüfung zufrieden. Ihre Fragestellung wurde im Beratungsprozess noch angepasst und die Unterschriften konnten gesammelt werden. In einem Fall wurde die Vorprüfung erst gegen Ende der Unterschriftensammlung durchgeführt. Grundsätzlich kann die Vorprüfung zu jedem Zeitpunkt des Bürgerbegehrens, also auch bereits während der Unterschriftensammlung, beantragt werden. Das Bürgerbegehren wurde für Zulässig erklärt. Dies hatte laut der Initiative einen positiven Effekt, da dadurch nochmal neues Vertrauen in den Erfolg des Bürgerbegehrens gewonnen wurde. 

In einem anderen Fall ergab die Vorprüfung eine Unzulässigkeit, doch das Instrument wird positiv bewertet, da sonst unnötig Zeit in die Sammlung der Unterschriften gesteckt worden wäre.

Insgesamt gaben fünf Personen (33%) negative Erfahrungen mit der Vorprüfung an, die hauptsächlich mit der zuständigen Verwaltung in Verbindung gebracht werden. In einem Fall wurde die Bewertung, die von einer externen, von der Verwaltung beauftragten Kanzlei durchgeführt wurde, als parteiisch wahrgenommen.

Auffällig ist, dass besonders die Initiativen, bei denen die Vorprüfung eine Unzulässigkeit ergab, auch eher negative Erfahrungen mit dem Instrument schildern. Zwei Initiatoren und Initiatorinnen bewerten die Vorprüfung zwiespältig. Einerseits gebe aus deren Sicht die Vorprüfung die Chance auf eine Überarbeitung vor dem Start der Unterschriftensammlung, andererseits bekomme die Verwaltung die Gelegenheit in ungewolltem Maß Einfluss zu nehmen oder den Prozess zu erschweren. Wird zum Beispiel ein Fehler gefunden, könne dies weitere Verzögerungen bedeuten, die ,,der Verwaltung“ eventuell zugutekommen. Einmal gab es keine genaue Antwort.

 

In acht Fällen (53%) fand eine Beratung über die Vorprüfung und das generelle Verfahren in der Kommune statt. Allerdings gab es in den Rückmeldungen viel Kritik an diesen Beratungsterminen. Zum Beispiel wurde in einem Fall auf den Punkt, an dem die Vorprüfung letztendlich gescheitert ist, nicht hingewiesen. In einem anderen Fall wurde die Beratung erst nach einer Klage angeboten und war laut der befragten Person weder gut noch hilfreich.

In fünf Fällen (33%) gab es gar keine Beratung, teilweise weil entsprechende Beratungsstellen gefehlt haben.

Vier Bürgerinitiativen engagierten einen Rechtsanwalt bzw. eine Rechtsanwältin, um Fragestellung und Unterschriftenliste begutachten zu lassen. Diese Bewertung wird allerdings von Seiten des Stadtrats nicht offiziell anerkannt. Eine Initiative, die einen Rechtanwalt engagiert hatte, ließ zusätzlich eine offizielle Vorprüfung durchführen.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die im Mai 2019 eingeführte Möglichkeit zur Vorprüfung von Bürgerbegehren auf deren Zulässigkeit überwiegend positiv von den Initiativen bewertet wird, allerdings auch vielfach noch Verbesserungsbedarf am Verfahren gesehen wird.

Insbesondere zwei Punkte werden immer wieder genannt:  Zum einen die Unzufriedenheit über die subjektive Bewertung des Begehrens von Seite der Verwaltung, die häufig nicht die Einschätzung der Initiatoren und Initiatorinnen teilen. Insgesamt üben 27% der Befragten im Verlauf ihrer Antworten Kritik an der Verwaltung. Zum anderen würde der zusätzliche Zeitaufwand etwa 16% der Befragten davon abhalten eine Vorprüfung zu beantragen.

Ein weiteres häufig genanntes Problem stellt der unzureichende Zugang zu einer Beratungsstelle dar. So wurde mehrmals angegeben, dass sich kein Ansprechpartner bzw. keine Ansprechpartnerin bei der Verwaltung finden ließ. 

Positiv wahrgenommen wurde, dass durch die Vorprüfung eine unnötige Unterschriftensammlung vermieden werden kann und somit weniger Kosten und Arbeitsstunden entstehen. Ein weiterer positiver Effekt einer Zulässigkeitsprüfung gegen Ende der Unterschriftensammlung kann sein, dass nochmal Schwung und Zutrauen in den Prozess kommen.

Von den Initiatoren und Initiatorinnen wurden bereits erste Verbesserungsvorschläge genannt: Zum Beispiel brauche es eine unabhängige Stelle für die Überprüfung der Zulässigkeit, die bei der zuständigen Bezirksregierung angesiedelt sein könnte. Außerdem sollte der Prozess der Vorprüfung schnell abgeschlossen werden, bestenfalls versehen mit einer Frist. Eine gesetzliche Regelung zum Zeitrahmen wäre hier, aber auch bei der Erstellung der Kostenschätzung, nach Meinung der Befragten wichtig.

 

 


1) Die Bewertungen der Vorprüfung sowie Einschätzungen zum Verwaltungshandeln durch die Initiativen spiegeln die Meinung der Initiativen wider, wurden von uns nicht überprüft und werden hier lediglich wiedergegeben.