Köln - In Hessen sind am Sonntag 4,6 Millionen Wahlberechtigte aufgerufen, ihre politischen Interessenvertreter in den Gemeinderäten neu zu bestimmen. Zum zweiten Mal können die Wählerinnen und Wähler dabei ein in diesem Land noch relativ neues Wahlrecht nutzen. Hinter der umständlichen Bezeichnung "Kumulieren und Panaschieren" verbirgt sich die Möglichkeit, als Bürger tatsächlich selbst zu bestimmen, wer in den Rat einzieht. Während in Nordrhein-Westfalen weitgehend die Parteien durch die Aufstellung ihrer Wahllisten die personelle Zusammensetzung des Rates vorgeben, liegt diese Entscheidung in Hessen in der Hand der Bürger.
Auch in Hessen stellen die Parteien Kandidatenlisten auf, jedoch können die Bürger mit dem 1999 eingeführten Wahlrecht die Reihenfolge der Kandidaten auf den Listen noch einmal verändern. Jeder Wähler erhält dabei so viele Stimmen, wie der Gemeinderat Sitze hat. Von diesen Stimmen kann er dann bis zu drei an einen Kandidaten vergeben. Ebenso können Kandidaten verschiedener Parteien angekreuzt oder alternativ ganz von der Liste gestrichen werden. soll ein demokratischeres Wahlrecht bekommen. Wähler, die mit dem Wahlvorschlag einer Partei zufrieden sind, können diesen hingegen mit nur einem Kreuz bestätigen.
Bei der letzten hessischen Kommunalwahl 2001 haben viele Bürger das neue Wahlrecht bereits genutzt. Rund 55 Prozent setzten ihre Stimmen gezielt ein, die restlichen Wähler machten ihr Kreuz weiter bei ihrer Lieblingspartei, ohne bestimmte Kandidaten zu fördern oder zu streichen. "Hessenmeister" im Kumulieren und Panaschieren war Darmstadt. Rund 60 Prozent aller Wähler häuften und verteilten alle oder Teile ihrer 71 Stimmen auf bestimmte Kandidaten. Nur 14 Prozent der Kandidaten blieben auf dem Listenplatz, auf den ihre Partei sie gesetzt hatte.
Kumulieren und Panaschieren gibt es als Wahlrecht bereits in zwölf von 16 Bundesländern. Lediglich in Berlin, Bremen, NRW und im Saarland gilt noch das nach Ansicht der Initiative Mehr Demokratie überkommene Wahlrecht, bei dem die Wähler die Kandidatenliste einer Partei nur unverändert akzeptieren oder in Gänze verwerfen können. Der Verein fordert deshalb, dieses Wahlrecht auch in NRW einzuführen. CDU und FDP hatten in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, die Einführung dieses differenzierteren Wahlrechts zu prüfen. Auch die Grünen befürworten dessen Einführung, nur die SPD lehnt das Wahlverfahren als "zu kompliziert" ab. Im Herbst soll über das Thema im Landtag beraten und entschieden werden. In Hessen war Kumulieren und Panaschieren 1999 von der schwarz-gelben Landesregierung eingeführt worden. Besonders Innenminister Volker Bouffier (CDU) hatte sich dafür stark gemacht.
"Wer die Wähler ernst nimmt, muss vor diesem Wahlrecht keine Angst haben", sagte Daniel Schily, Landesgeschäftsführer von Mehr Demokratie, am Freitag in Köln. Was einigen hierzulande als zu kompliziert erscheine, lernten Jugendliche in anderen Bundesländern bereits im Politikunterricht ihrer Schule. "Rheinländer und Westfalen sind dabei nicht dümmer als die Hessen", so Schily.