Von den 900 von Bürgern eingeleiteten Bürgerbegehren führten 252 zu Bürgerentscheiden, bei denen dann die Bürger über die Frage des Begehrens abstimmen konnten. Von diesen entschieden die Abstimmenden in 100 Fällen im Sinne der Initiative und in 47 gegen das Begehren. Insgesamt 105 Bürgerentscheide scheiterten „unecht“ am Zustimmungsquorum. Das Zustimmungsquorum besagt, dass ein Bürgerentscheid nur gültig ist, wenn zusätzlich zur Mehrheit auch noch eine bestimmte Anzahl an Menschen für einen Bürgerentscheid stimmt. Die Zahl der unzulässigen Bürgerbegehren liegt bei 309, was etwa einem Drittel aller Bürgerbegehren entspricht.
Thematische Schwerpunkte für Bürgerbegehren lagen bei öffentlichen Sozial- und Bildungseinrichtungen wie Schulen, Kitas oder Bäder (35,2 Prozent), Verkehrsprojekten wie der Umgestaltung von Straßen oder Radwegen (16,6 Prozent) und öffentlichen Infrastruktur- und Versorgungseinrichtungen wie Rathäusern und Stadtwerken (14,3 Prozent). Aktuell spielen besonders Bürgerbegehren für eine fahrradfreundliche Stadt eine größere Rolle. In den letzten fünf Jahren gab es insgesamt elf dieser sogenannten Radentscheide in NRW.
Dennoch sieht Wölfel noch an vielen Stellen Verbesserungsbedarf für das Verfahren des Bürgerbegehrens. So sorge die verpflichtende Kostenschätzung regelmäßig für Frust bei Initiativen und Verwaltungen. Nach Ansicht des Fachverbandes wäre es ausreichend, die Kostenschätzung erst mit den Abstimmungsunterlagen vorzulegen, wenn es tatsächlich zum Bürgerentscheid kommt. Diese Regelung gilt beispielsweise in Rheinland-Pfalz. Alternativ könne auch ganz auf die Kostenschätzung verzichtet werden, wie es beispielsweise in Bayern, Niedersachsen und Hamburg der Fall ist.
Des Weiteren kritisiert Mehr Demokratie die Themenausschlüsse bei Bürgerbegehren. In NRW können die Bürger längst noch nicht über alle Themen abstimmen. Grundsätzlich sollten laut Wölfel wesentlich mehr Themen für Bürgerbegehren zugänglich sein. „Im Idealfall dürfen die Bürgerinnen und Bürger über all jene Themen abstimmen, über die auch ihre gewählten Vertreterinnen und Vertreter entscheiden können“, so Wölfel. Andere Bundesländer wie Bayern seien hier schon weiter als NRW.
Zuletzt fordert Mehr Demokratie eine Abschaffung des Zustimmungsquorums. Das Zustimmungsquorum bei Bürgerbegehren richtet sich nach der Gemeindegröße und beträgt zwischen 10 und 20 Prozent. „Es ist verdrehte Demokratie, wenn diejenigen, die der Abstimmung fernbleiben am Ende das Ergebnis bestimmen“, so Wölfel.
Stichtag der Analyse war der 19. September 2022. Als Grundlage diente die „Datenbank Bürgerbegehren“. Die Daten werden in einem Kooperationsprojekt zwischen der Forschungsstelle Bürgerbeteiligung an der Bergischen Universität Wuppertal und der Forschungsstelle Bürgerbeteiligung und Direkte Demokratie an der Philipps-Universität Marburg erhoben. Unterstützt wird das Projekt von Mehr Demokratie e.V. Nicht berücksichtigt wurden Bürgerbegehren, die nur angekündigt oder öffentlich diskutiert wurden.
Bei Rückfragen: Achim Wölfel 0221-66966513
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