Land in Volksentscheid-Ranking um zwei Plätze abgerutscht
In fünf Bundesländern haben die Bürger politisch mehr zu sagen als in Nordrhein-Westfalen. Das ist eines der Ergebnisse des heute von der Initiative „Mehr Demokratie“ in Düsseldorf vorgestellten Volksentscheids-Rankings. Im Demokratie-Vergleich der Bundesländer ist NRW danach seit dem letzten Ranking 2007 um zwei Plätze abgerutscht. „In Sachen Demokratie herrschte hierzulande in den letzten drei Jahren leider Stillstand“, begründete Landesgeschäftsführer Alexander Slonka den verschlechterten Tabellenplatz.
In dem Ranking hat Mehr Demokratie die Bürgerfreundlichkeit der Spielregeln für die direkte Demokratie auf kommunaler und Landesebene miteinander verglichen. Spitzenreiter des Rankings sind die Länder Hamburg, Berlin und Bayern. Aufgrund von Verbesserungen der Verfahren für Volks- und Bürgerentscheide in Bremen und Thüringen in der jüngeren Vergangenheit liegen diese beiden Länder anders als 2007 ebenfalls vor NRW. Mit der Note 3,45 ist die Qualität der Demokratie-Verfahren in Nordrhein-Westfalen gerade noch „befriedigend“.
Punkte gab es im Volksentscheid-Ranking etwa für die Möglichkeit, alle wichtigen politischen Fragen zur Abstimmung zu bringen, für eine angemessene Frist zur Unterschriftensammlung und die Möglichkeit zur freien Sammlung. Bewertet wurde außerdem die Höhe der Unterschriften- und Abstimmungsquoren, die Zulässigkeit von haushaltswirksamen Volksbegehren und das Vorhandensein obligatorischer Verfassungsreferenden. „Mängel gibt es hier leider insbesondere auf der Landesebene, weil die Unterschriftenhürde für Volksbegehren zu hoch und die Eintragung hierfür nur in den Rathäusern möglich ist“, erläuterte Slonka. Damit der Landtag sich mit einem Volksbegehren befasst, müssen sich in NRW binnen acht Wochen mehr als eine Million Bürger in die Unterschriftenlisten eintragen. Acht Bundesländer kennen hingegen die freie Unterschriftensammlung auf Straßen und Plätzen. Länder wie Berlin und Schleswig-Holstein haben außerdem eine niedrigere Unterschriftenhürde und Eintragungsfristen von mehreren Monaten.
Pro Bundesland kommt es im Schnitt alle 35 Jahre zu einem Volksentscheid. Seit dem 90er Jahren hat die Praxis dabei stark zugenommen. 16 der 18 Volksabstimmungen und 210 von 238 Volksbegehren fanden seitdem statt. In NRW gab es mit den Initiativen gegen die Gemeindegebietreform 1974 und gegen die Kooperative Schule 1978 bisher nur zwei Volksbegehren und keinen einzigen Volksentscheid. Bayern zählt seit 1946 hingegen 18 Begehren und sieben Volksabstimmungen. Bundesweit sind drei von zehn Initiativen aus der Bevölkerung erfolgreich.
Reformbedarf sieht Mehr Demokratie auch bei Bürgerbegehren in Städten und Gemeinden. „Minuspunkte haben wir vor allem für die enge thematische Begrenzung von Bürgerbegehren und die hohe Abstimmungshürde beim Bürgerentscheid vergeben“, erklärte Slonka. In NRW sind so Initiativen zu Einkaufszentren, Kraftwerksneubauten oder Windrädern nicht zulässig. Weil Bürgerbegehren im Bürgerentscheid oft nicht die vorgeschriebene Mindestzustimmung von 20 Prozent aller Stimmberechtigten erreichen, ist jede zweite Abstimmung ungültig. Im Bundesschnitt liegt der Anteil der „Quorumsopfer“ hingegen nur bei 25 Prozent. Seit 1994 gab es zwischen Rhein und Weser 564 Bürgerbegehren und 156 Bürgerentscheide.
Verbesserungen der Spielregeln der direkten Demokratie erhofft sich Mehr Demokratie von der neuen rot-grünen Landesregierung. SPD und Grüne haben in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, die Unterschriftenhürde für landesweite Volksbegehren zu senken und die freie Unterschriftensammlung einzuführen. Auf kommunaler Ebene soll die Palette der einem Bürgerbegehren zugänglichen Themen erweitert und das Zustimmungsquorum beim Bürgerentscheid gesenkt werden. „Wir setzen dabei auch auf die Unterstützung von CDU und FDP für eine auf Landesebene teilweise notwendige Verfassungsänderung“, so Slonka. „Beide Parteien erwägen derzeit ein Volksbegehren gegen die Schulpolitik der Landesregierung, niedrigere Hürden würden die Erfolgsaussichten hierfür verbessern.“
Mehr Informationen:
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<link>Spielregeln für Bürgerbegehren nur "befriedigend"