Pressemitteilung

Demokratie-Äpfel hängen in NRW zu hoch

Mehr Demokratie fordert praxistaugliche Verfahren für Volksentscheide

Noch nie hat in Nordrhein-Westfalen ein Volksentscheid stattgefunden, obwohl die Möglichkeit dazu seit Gründung des Landes gegeben ist. Diesen Zustand beklagt die Initiative "Mehr Demokratie" in ihrem heute veröffentlichten Volksbegehrensbericht. "Das in der Landesverfassung gegebene Versprechen der direkte Demokratie ist auch nach fast 60 Jahren immer noch nicht eingelöst worden", bedauerte Alexander Slonka, Landesgeschäftsführer von Mehr Demokratie, auf einer Pressekonferenz in Düsseldorf. Slonka macht dafür die "praxisuntauglichen Regelungen" für Volksbegehren und Volksentscheide verantwortlich.

 

"Ob und wie viele Volksentscheide stattfinden, hängt stark von der Erreichbarkeit der vor eine Volksabstimmung gesetzten Hürden ab", erläuterte der Geschäftsführer. Diese seien in NRW zu hoch. Mehr Demokratie stößt sich insbesondere an der hohen Unterschriftenhürde für Volksbegehren. Damit es zu einem Volksentscheid kommt, müssen sich binnen acht Wochen rund eine Million Bürger in die Unterschriftenlisten eines Volksbegehrens eintragen. Die Eintragung ist nur in den Rathäusern möglich.

 

"Volksbegehren sind damit höchstens ein Mittel für große Parteien, Verbände oder Gewerkschaften. Für nur lose organisierte Bürger hängen die schmackhaften Äpfel der direkten Demokratie leider immer noch viel zu hoch", so Slonka.

 

Zwischen Rhein und Weser war bisher nur ein Volksbegehren erfolgreich. 1978 hatten 29,9 Prozent der Stimmberechtigten eine Initiative gegen die Zusammenführung von Hauptschulen, Realschulen und Gymnasien in einer "Kooperativen Schule" unterschrieben. Die sozial-liberale Landesregierung hatte die von ihr geplante Schulreform daraufhin aufgegeben. Zuvor war das erste NRW-Volksbegehren gegen die Gemeindegebietsreform 1974 noch an der Unterschriftenhürde gescheitert.

 

"In anderen Bundesländern ist die Zahl der Verfahren teilweise höher", weiß Slonka. Laut Mehr Demokratie gab es in Bayern bereits 16 Volksbegehren und fünf Volksentscheide. In Schleswig-Holstein fanden drei Volksbegehren und zwei Volksentscheide statt, in Hamburg gab es in nur zwölf Jahren bereits fünf Volksabstimmungen. Bundesweit hat Mehr Demokratie bis Ende 2007 56 Volksbegehren und 14 Volksabstimmungen gezählt. Jedes vierte Volksbegehren war erfolgreich.

 

Besonders häufig wollten die Bürger im vergangenen Jahr bei den Themen Bildung und Kultur (30 Prozent) sowie Wirtschaft (22 Prozent) mitreden. Während Schule und Bildung Dauerthemen der direkten Demokratie sind, hat sich der Anteil an Wirtschaftsthemen durch mehrere Volksbegehren gegen die Nichtraucherschutzgesetze der Länder verdoppelt. In NRW waren gleich drei Initiativen pro und kontra Nichtraucherschutz gestartet worden, die jedoch aus verschiedenen Gründen nicht eingereicht wurden.

 

In Nordrhein-Westfalen häufiger genutzt, aber selten erfolgreich sind Volksinitiativen. Wer den Landtag dazu bringen will, sich mit einer politischen Forderung zu befassen, muss dazu die Unterschriften von 0,5 Prozent aller Stimmberechtigten sammeln. Dies haben von neun seit 2002 durchgeführten Volksinitiativen bisher sechs geschafft. Nur zwei davon jedoch waren jedoch auch inhaltlich erfolgreich. 2005 hatte der Landtag die Volksinitiative des Bundes der Steuerzahler für eine Reform der Diätenregelung der Abgeordneten übernommen. Bereits ein Jahr zuvor hatte das Parlament aufgrund der Volksinitiative "Jugend braucht Zukunft" ein Jugendfördergesetz verabschiedet. Alle anderen Volksinitiativen hatte der Landtag abgelehnt, zuletzt am 18. September die Volksinitiative "Mehr Demokratie beim Wählen" für ein demokratischeres Kommunalwahlrecht.

 

"Der Landtag muss Volksinitiativen nicht sonderlich ernst nehmen, weil diese nach einer Ablehnung ins Leere laufen", bemängelte Slonka die Schwäche dieses Demokratie-Instruments. Während die Volksinitiative in sechs anderen Bundesländern nach einer Ablehnung mit einem Volksbegehren in die nächste Stufe getragen werden kann, ist für die Volksinitiative in NRW danach das Ende der Fahnenstange erreicht. Wer für deren Anliegen ein Volksbegehren starten will, muss dafür erneut 3.000 Unterschriften für einen Zulassungsantrag sammeln. Und steht dann vor der Herkulesaufgabe, in nur acht Wochen eine Million Menschen zur Unterschrift in den Rathäusern zu mobilisieren.

 

Mehr Demokratie wünscht sich deshalb, dass Volksinitiativen nach einer Ablehnung durch den Landtag als Antrag auf die Durchführung eines Volksbegehrens gelten können. Für Volksbegehren reiche eine Unterschriftenhürde von zwei statt acht Prozent der Stimmberechtigten. Auch müsse die Unterschriftensammlung auf Straßen und Plätzen möglich sein. "Dies und eine angemessene Unterschriftenhürde sind für kommunale Bürgerbegehren längst selbstverständlich", stellte Slonka fest. Daher gebe es auf lokaler Ebene auch viel mehr Bürgerbegehren als Volksbegehren auf Landesebene.

 

Hintergrund: <link>Mehr Informationen zum Volksbegehrensbericht

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