Viersener Rat schließt sich Forderung von Bürgern an
In Viersen haben Hausbesitzer in Zukunft kein Vetorecht mehr, wenn vor ihren Häusern Stolpersteine zur Erinnerung an jüdische Opfer der Nazi-Diktatur verlegt werden sollen. Der Rat der Stadt hat sich gestern einem Bürgerbegehren angeschlossen, das die Aufhebung dieses Vetorechts forderte. Noch im April hatte sich der Rat mehrheitlich dafür ausgesprochen, Hausbesitzern ein Vetorecht zu geben.
Die Stolpersteine sind ein Projekt des Künstlers Gunter Demnig, das im Jahr 1992 begann. Mit im Boden verlegten kleinen Gedenktafeln soll an das Schicksal der Menschen erinnert werden, die in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben wurden. Sie werden meist vor den letzten frei gewählten Wohnhäusern der NS-Opfer niveaugleich in den Belag des jeweiligen Gehwegs eingelassen.
In den Viersener Stadtteilten Alt-Viersen und Dülken weisen 28 Stolpersteine auf Wohnorte der unter der Nazi-Diktatur vom nationalsozialistischen Regime verfolgten, vertriebenen und ermordeten Bürger hin. 26 Stolpersteine sollten zwar im Dezember 2017 hinzukommen, doch bei nur knapp der Hälfte war die Verlegung bisher sicher. Bei den 13 anderen hatten Hausbesitzer sich dagegen ausgesprochen, die Steine auf der Straße zu verlegen.
In Viersen fielen insgesamt 214 Menschen jüdischen Glaubens dem nationalsozialistischen Regime zum Opfer. Weitere von Deportationen und Repressionen Betroffene anderer Glaubensrichtungen oder ethnischer Gruppen kommen hinzu.
Die Bürgerinitiative „Stolpersteine für Viersen“ argumentiert, dass die Verlegung von Stolpersteinen von allgemeinem Interesse sei. Sinn und Zweck der europaweiten Stolpersteinverlegung sei das Gedenken an die jüdischen Opfer des nationalsozialistischen Regimes. Das Gedenken an die ermordeten jüdischen Mitbürger sei wichtiger als die Befindlichkeiten von Eigentümern. Zudem erfolge die Verlegung im öffentlichen Raum, welcher der Stadt und damit allen Bürgern gehöre.
Mit dem Bürgerbegehren in Viersen hat sich laut Zahlen der Initiative „Mehr Demokratie“ zum 120. Mal ein Rat einer direkt-demokratischen Initiative angeschlossen. Auf diesem Weg sind Bürgerbegehren damit erfolgreicher als durch Bürgerentscheide. Bei 228 Abstimmungen in Städten, Gemeinden und Kreisen waren 87 Bürgerbegehren erfolgreich. 100 weitere Begehren erhielten zwar ebenfalls eine Mehrheit, wurden jedoch durch die Abstimmungshürde zu Fall gebracht. Für die Verbindlichkeit eines Bürgerentscheids ist in NRW eine Mehrheit von je nach Gemeindegröße zehn, 15 oder 20 Prozent aller Stimmberechtigten für oder gegen ein Bürgerbegehren erforderlich. Diese Hürde ist für viele Bürgerbegehren zu hoch.