Mehr Demokratie will Bürgerentscheide über Gewerbegebiete und Rathäuser in NRW
68 Prozent der Deutschen wollen über Bauvorhaben wie das Bahnprojekt „Stuttgart 21“ abstimmen. Das ist eines der Ergebnisse einer heute veröffentlichten Umfrage, die das Meinungsforschungsinstitut TNS EMNID im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung durchgeführt hat. Die Initiative „Mehr Demokratie“ hat den Landtag aufgefordert, in Nordrhein-Westfalen Bürgerentscheide etwa über den Bau neuer Rathäuser oder die Ausweisung von Gewerbegebieten zu ermöglichen.
„Bisher sind Bürgerbegehren zu Flächennutzungs- und Bebauungsplänen in NRW nicht erlaubt“, erläuterte Landesgeschäftsführer Alexander Slonka. Bürgerinitiativen versuchten deshalb, diese Themenausschlüsse zu umgehen, indem sie sich etwa gegen den Verkauf der betroffenen Grundstücke an einen Investor wenden. Selbst dieser Weg ist aber erst jüngst wieder einem Bürgerbegehren verwehrt worden, das sich in Leichlingen für den Erhalt des Stadtparks einsetzt. Nach dem Willen der Ratsmehrheit soll die Parkfläche mit einem Einkaufszentrum bebaut werden. Das Bürgerbegehren soll den Verkauf des Grundstücks an den Bauherrn verhindern. Das Verwaltungsgericht Köln sah hierin jedoch den unerlaubten Versuch der Umgehung der in der Gemeindeordnung festgeschriebenen Themenausschlüsse für Bürgerbegehren.
NRW-Innenminister Ralf Jäger hatte in der vergangenen Woche die Einbringung eines Gesetzentwurfes in den Landtag angekündigt, der Bürgerbegehren zur Einleitung von Bauleitplanungsverfahren erlauben soll. Weiterhin unzulässig sein sollen aber Begehren zur Änderung, Ergänzung oder Aufhebung von Flächennutzungs- und Bebauungsplänen. „Das ist nach den Erfahrungen mit den Protesten gegen Stuttgart 21 viel zu wenig“, kritisierte Slonka. Dies gelte umso mehr, als SPD und Grüne im Landtag weiter am Abstimmungsverbot für industrielle Großprojekte wie den Ausbau des Godorfer Hafens in Köln festhielten. Ein Bürgerbegehren hiergegen war 2008 vom Rat gestoppt worden, weil es sich gegen eine Entscheidung richtete, die im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens getroffen wurde. Da die Gemeindeordnung verbindliche Bürgerentscheide hierüber nicht erlaubt, wird nun am 10. Juli eine unverbindliche Einwohnerbefragung zum Hafenausbau stattfinden.
Der Kölner SPD-Fraktionschef und Landtagsabgeordnete Martin Börschel hatte im Januar die Einwohnerbefragung angeregt, um eine „Befriedung im zähen Streit um das Projekt“ zu erreichen. Gegenüber der Politik habe sich ein extremes Misstrauen entwickelt. Das Einbeziehen der Bürger könne einen „reinigenden Effekt“ haben. „Diese Einsicht hatte die SPD-Landtagsfraktion leider noch nicht“, kommentierte Mehr Demokratie-Geschäftsführer Slonka. Die Grünen hatten in ihrem Programm zur Landtagswahl die Ermöglichung von Bürgerentscheiden über Großprojekte gefordert, konnten sich damit gegenüber der SPD aber nicht durchsetzen.
Mehr Informationen:
<link http: www.bertelsmann-stiftung.de cps rde xchg sid-05305bc9-9f4043dd bst hs.xsl nachrichten_107591.htm>Bertelsmann-Studie: Bürger wollen an der Politik direkt beteiligt sein
<link>Themenausschlüsse - Begehren verboten
<link>SPD und Grüne wollen Bürgerbegehren vereinfachen