Mehr Chancen, weniger Begehren

Im Dezember hat der Landtag die Spielregeln für Bürgerbegehren in Nordrhein-Westfalen vereinfacht und damit deren Erfolgschancen verbessert. Die Zahl der Bürgerbegehren hat sich hierdurch aber nicht erhöht. Verglichen mit dem ersten Halbjahr 2011 sind zur Jahreshälfte 2012 sogar weniger Begehren zu zählen. Waren es seinerzeit noch 16 abgeschlossene Bürgerbegehren, gab es im ersten Halbjahr 2012 derer nur acht. Die Zahl der Bürgerentscheide ist mit vier hingegen gleich geblieben.

 

Trotzdem hat die Reform Auswirkungen auf die direkte Demokratie vor Ort gehabt. So gibt es in Minden und Sassenberg die ersten Bürgerbegehren, die sich gegen Bebauungspläne richten. Der Landtag hat solche zuvor unzulässigen Bürgerbegehren im Dezember erstmals ermöglicht. In Legden gab es den ersten Ratsbürgerentscheid über die Ausweisung eines neuen Gewerbegebiets. Eine Abstimmung, die vorher ebenfalls nicht möglich gewesen wäre. Ein großes Hindernis ist hier aber noch die nur sechswöchige Frist zur Einreichung von Bürgerbegehren gegen Ratsbeschlüsse. So konnte das Begehren in Minden in dieser denkbar kurzen Zeit die notwendigen rund 4.000 Unterschriften nicht zusammentragen. Mehr Demokratie fordert die Abschaffung dieser Sammelfrist.

Bürgerbegehren in NRW

Jahr nicht einge- reicht/ zurück- gezogen / ver- sandet unzu- lässig vom Rat über- nommen Kom- pro- miss läuft noch zum Bürger- entscheid führten Gesamt
1994 - 2010 75 208 99 15   154 551
1. Halbj. 2011 6 5       4 15
2. Halbj. 2011 4 13 1 2   2 22
1. Halbj. 2012 3 3     15 2 23
Gesamt 88 229 100 17 15 162 611

Stand: 30.06.2012

 

Auch die Senkung der Abstimmungshürde bei Bürgerentscheiden in größeren Städten hat bereits erste Wirkung gezeigt. Ein Bürgerbegehren für den Erhalt einer Hauptschule in Mülheim konnte mehr als die dort jetzt vorgeschriebenen zehn Prozent aller Stimmberechtigten hinter sich bringen. Die zuvor geltende Hürde von 20 Prozent hätte das Begehren nicht erreicht. Der Landtag hatte im Dezember das für alle Kommunen geltende Zustimmungsquorum von 20 Prozent je nach Gemeindegröße auf eine Höhe zwischen zehn und 20 Prozent gestaffelt. Die höchste Hürde gilt jetzt nur noch für Gemeinden mit bis zu 50.000 Einwohnern.

 

Als weitgehend problemlos hat sich bisher die Kostenschätzung erwiesen, die Kommunalverwaltungen erstellen müssen, um die Folgekosten für die Gemeinden für den Fall zu berechnen, dass die Forderung eines Bürgerbegehrens umgesetzt wird. Nur in Aachen ließ die Verwaltung ein Bürgerbegehren gegen die geplante Campusbahn mit zwei Monaten unangemessen lange auf diese Information warten. Ohne diese Verwaltungsberechnung kann die Unterschriftensammlung für ein Bürgerbegehren nicht starten. Bis Ende 2011 mussten die Initiatoren von Bürgerbegehren die Folgekosten ihrer Initiativen selber berechnen. Das führte oft zu Auseinandersetzungen mit Verwaltung und Politik über diese Kosten und letztlich immer wieder zur Unzulässigkeit von Bürgerbegehren.

(Rats-)Bürgerentscheide in NRW

Jahr Abstimmungsvorlage angenommen Abstimmungs- vorlage abgelehnt (Rats-)Bürger- entscheid ungültig Gesamt
1994 - 2010 59 25 78 162
1. Halbj. 2011 1   3 4
2. Halbj. 2011   1 2 3
1. Halbj. 2012 3 1   4
Gesamt 63 27 83 173

Stand: 30.06.2012

 

Im ersten Halbjahr 2012 waren vier Bürgerbegehren erfolgreich. In Bürgerentscheiden konnten Bürgerbegehren für den Erhalt eines Hallenbades in Bedburg-Hau und gegen die Schließung einer Hauptschule in Mülheim Mehrheiten für sich gewinnen. In Düsseldorf sorgte ein Begehren mit politischem Druck dafür, dass das Naherholungsgebiet Grütersaap weiter genutzt werden kann. Und in Hallenberg erreichte ein formal unzulässiges Bürgerbegehren, dass der zuvor vom Rat verbotene private Holzeinschlag im Stadtwald teilweise wieder möglich ist.

 

Zweimal haben Kommunalpolitiker die Bürger per Ratsbürgerentscheid nach ihrer Meinung gefragt. In Gladbeck lehnten die Wähler die Finanzierung eines Tunnels für die A 52 ab. In Legden unterstützten die Bürger hingegen den Wunsch der Ratsmehrheit nach Ausweisung eines neuen Gewerbegebiets. Fünf Jahre nach Einführung des Ratsbürgerentscheids war damit das erste Ratsbegehren erfolgreich.

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