Ratsbürgerentscheid in Nümbrecht: Vom Winde verweht

Der erste Ratsbürgerentscheid in der Geschichte Nümbrechts fand statt: Vom 4. Januar bis zum 14. Februar 2023 konnten die Nümbrechter Bürgerinnen und Bürger über den Bau von Windkraftanlagen in ihrer Gemeinde abstimmen. Kurz vor Ende des Bürgerentscheids wurde dieser von der Kommunalaufsicht des Oberbergischen Kreises allerdings aufgrund einer ihrer Ansicht nach ungültigen Fragestellung für ungültig beanstandet.  Der Gemeinderat entschied sich daher, die Abstimmung als unverbindliche Bürgerbefragung zu werten. Nachdem sich 81 Prozent der Abstimmenden für die Windkraft ausgesprochen hatten, beauftragte der Gemeinderat die Gemeindewerke direkt mit einer Prüfung möglicher Standorte. So soll der Wählerwille – ob es jetzt ein Bürgerentscheid oder nur eine Bürgerbefragung war – am Ende umgesetzt werden.

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Seit mehr als zehn Jahren führt das Thema Windkraft in Nümbrecht zu kontroversen Diskussionen. Die Gemeinde will, dass die Gemeindewerke auf Gemeindegebiet Windkraftanlagen errichtet. Gleichzeitig entstand die Wählergemeinschaft “Gegenwind Homburger Ländchen” (WGHL), die ein alternatives Energiekonzept für die Gemeinde Nümbrecht erarbeiten und den Ausbau der Windkraft in Nümbrecht verhindern will.

Da klar ist, dass Bauvorhaben mit einer so großen Auswirkung die Akzeptanz der Bürger:innen brauchen, beschloss der Gemeinderat Ende September 2022 mit großer Mehrheit die Durchführung eines Ratsbürgerentscheids. Bei diesem wurde über die Frage “Sind Sie damit einverstanden, dass die Gemeindewerke Nümbrecht GmbH (GWN) Windkraftanlagen auf dem Gebiet der Gemeinde Nümbrecht zur Eigenversorgung der Bürger und Bürgerinnen sowie der Nümbrechter Gewerbebetriebe errichten?” abgestimmt. 

Der Bürgerentscheid fand als reine Briefwahl statt und die Briefwahlunterlagen wurden automatisch versendet. Laut Achim Wölfel, Landesgeschäftsführer von Mehr Demokratie e.V. NRW, erkläre sich auch dadurch die beträchtliche Beteiligung von 56 Prozent.

Doch wie ist dieser Ratsbürgerentscheid eigentlich zustande gekommen? Für diesen Artikel wurden die Fraktionsvorsitzenden des Gemeinderates Nümbrecht, Manfred Henry Daub von der CDU und Wilhelm Weber von der Gemeinschaft Unabhängiger Demokraten (GUD) bereits vor der Abstimmung zu dem Ratsbürgerentscheid befragt. 

Worum ging es bei dem Bürgerentscheid?

Nachdem der Rat bereits 2020 ein Förderprogramm zum Ausbau von erneuerbaren Energien beschlossen hat, wollte man mit dem Ratsbürgerentscheid einen weiteren Schritt in Richtung erneuerbare Energien gehen, so der Fraktionsvorsitzende der GUD, Wilhelm Weber. Ziel sei es, mit den Gemeindewerken und einem Bürgerbeteiligungsmodell Strom aus Windkraft in Nümbrecht zu erzeugen. Daran sollen sich auch Bürger:innen beteiligen können und somit die Möglichkeit haben, auch als Teilhaber:innen zu profitieren.

Auf die Frage, warum dieses Instrument gewählt wurde, sind sich beide Fraktionsvorsitzenden einig: Eine so wichtige Entscheidung bedarf der Beteiligung der Bürger:innen Nümbrechts. 

„Wenn so eine große Baumaßnahme mit so einem großen Einfluss direkt vor der eigenen Haustür geschieht, ist es wichtig, dass die Nümbrechterinnen und Nümbrechter den Weg mittragen, ja sogar mitgestalten können und ein Bürgerentscheid, der uns den Auftrag gibt, ist der beste Weg, dass alle Mitgestalten und -entscheiden können.“,
sagt Wilhelm Weber, Fraktionsvorsitzender der GUD Nümbrecht

Einen Ratsbürgerentscheid durchzuführen sei laut Daub besonders sinnvoll, wenn ein Thema von den Bürger:innen kontrovers diskutiert werde und durch die Abstimmung eine Befriedung in der Gemeinde herbeigeführt werden könne – egal wie diese ausgehe.

„Das Ergebnis bestimmt den Arbeitsauftrag an Rat und Verwaltung.“,
so Manfred Henry Daub. 

Wie haben die Fraktionen auf den Bürgerentscheid aufmerksam gemacht?

Damit der Ratsbürgerentscheid erfolgreich durchgeführt werden konnte und möglichst viele Menschen an der Abstimmung teilnehmen, bedurfte es einiger Vorbereitungen: Neben der Austeilung und Veröffentlichung von Informationsblättern mit Statements aller Ratsfraktionen hatten diese auch die Möglichkeit, von ihrer Seite für die Abstimmung zu werben.

Der Fraktion der CDU war es wichtig den Bürger:innen bei Fragen zur Verfügung zu stehen, sowohl vor dem Bürgerentscheid als auch bei der späteren Umsetzung, so Daub. Davon abgesehen hat die Fraktion kaum eigene Werbung für die Abstimmung gemacht.

Die GUD habe mit ihren Mitgliedern ausführlich über das Thema diskutiert und jeder trug seinen Teil dazu bei, die Wichtigkeit dieses Entscheides nach außen zu tragen. Des Weiteren wurde auf ihrer Website und in den sozialen Medien über das Thema informiert, sagt Weber.

Welche Positionen vertraten die Fraktionen?

Beide Fraktionen befürworten den Bau von Windkraftanlagen in ihrem Gemeindegebiet. 

Die Errichtung der Anlagen durch die eigenen Gemeindewerke zur Eigenversorgung hält der Fraktionsvorsitzende der GUD für einen sinnvollen Schritt, um die Energie dort zuerzeugen, wo sie auch verbraucht werde. So könne man sich von konventionellen Energien und ihren Schwächen unabhängig machen. 

“Wir sehen dies als riesige Chance, sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich nachhaltig zu handeln und unsere Gemeindewerke langfristig zu stärken.“,
so Weber.

Auch die CDU ist klar in ihrer Haltung:

“Wenn wohnen und leben in Nümbrecht (übrigens ein Nümbrechter Motto) auch in Zukunft für unsere Mitbürger umweltverträglich, bezahlbar und lebenswert sein soll, dann kann es nur eine Antwort geben und der Ratsbürgerentscheid nur zu einem Ergebnis führen!”,
so Daub. 

Kritik am Verfahren

Kritik am Verfahren kam noch während des Abstimmungszeitraumes von Seiten der WGHL. Die Wählergemeinschaft sei als einzige Gemeinderatsfraktion vom Korrektur- und Informationslauf ausgeschlossen worden. Sie hätten zum einen nicht wie alle anderen Ratsfraktionen die Chance erhalten, ihren Text für die Informationsbroschüre zu korrigieren. Zum anderen hätten die anderen Fraktionen schon am 02.01.2023 die finale Version des Informationsheftes zum Ratsbürgerentscheid erhalten und konnten so damit arbeiten, die WGHL jedoch nicht. Auf Nachfrage der Fraktion bei Bürgermeister Hilko Redenius habe dies an einem technischen Fehler gelegen. Daher forderte die WGHL eine Wiederholung des Ratsbürgerentscheids. 

Kurz bevor der Abstimmungszeitraum des Ratsbürgerentscheids endete, bemängelte die Kommunalaufsicht des Oberbergischen Kreises den Ratsbürgerentscheid als unzulässig. Die Fragestellung sei nicht hinreichend konkret formuliert gewesen. Die Gemeindeverwaltung und Bürgermeister Hilko Redenius teilen diese Ansicht nicht.

 

Um einen jahrelangen Rechtsstreit zu verhindern, wurde ein Kompromiss geschlossen: Der Rat hob den Beschluss zum Ratsbürgerentscheid wieder auf und dessen Ergebnisse werden nun als unverbindliche Bürgerbefragung gewertet. Damit sind die abgegebenen Stimmen nicht verbindlich, der Rat kann jedoch dem Ergebnis und so auch dem Willen der Bürger:innen folgen. Bei der Abstimmung haben 81 Prozent der Wähler:innen für die Errichtung von Windkraftanlagen gestimmt. Dem soll jetzt nachgekommen werden: Der Gemeinderat hat noch in der gleichen Sitzung, in der auch der Ratsbürgerentscheid aufgehoben wurde, die Gemeindewerke beauftragt mögliche Standorte für die Windräder zu prüfen.

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